Peter Altmaier will bei den Corona-Regeln nachjustieren. Foto: dpa/Michael Kappeler

Werden die Menschen beim Schutz gegen das Coronavirus wieder nachlässig? Die Zahlen der vergangenen Tage könnten dies nahelegen. Muss man also bei den Regeln nachjustieren?

Berlin - Rund ein halbes Jahr nach Ausbruch der Corona-Krise hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine genaue Überprüfung der bisherigen Maßnahmen gefordert. „Nach einem halben Jahr Erfahrung mit dem Virus brauchen wir eine medizinische Einordnung dessen, was falsch gelaufen ist und geändert werden muss“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). „Wir müssen einen zweiten Lockdown mit aller Macht verhindern. Deshalb brauchen wir zielgenauere Maßnahmen und Korrekturen statt flächendeckender Rundumschläge.“

Der Anstieg der Neuinfektionen auf zuletzt deutlich über 1000 pro Tag sei alarmierend. „Wir müssen diesen Trend abflachen und umkehren, denn es geht um die Gesundheit aller, die Rückkehr der Kinder in die Schulen und den Aufschwung unserer Wirtschaft“, so Altmaier. Am Sonntag lag die Zahl laut Robert Koch-Institut allerdings wieder deutlich unter der 1000er Marke.

Warnung vor Nachlässigkeit

Linken-Chefin Katja Kipping sieht Pläne, Corona-Vorschriften mit Härte und höheren Strafen durchsetzen zu wollen, mit Sorge. Sie sagte der Mediengruppe, die Politik sollte eher die vielen unterstützen, die sich verantwortlich verhalten wollten. „Wir sollten zum Beispiel erst einmal Masken-Automaten an Bahnhaltestellen aufstellen, bevor wir diejenigen bestrafen, die keine tragen.“ Denn „diese krude Coronaverharmloser-Szene“ sehne sich „doch richtig danach, in so einen Corona-Rebellen-Status zu kommen und für das Nichtzahlen von Bußgeldern ins Gefängnis zu gehen. So scharf ich diese Demonstranten verurteile - wir werden das nicht über Repression lösen.“

Der Ärzteverband Marburger Bund warnte indessen vor wachsender Nachlässigkeit in der Corona-Pandemie. „Wir sehen schon einen kontinuierlichen Anstieg der Infektionszahlen - er ist flach, aber er ist da“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna der Deutschen Presse-Agentur. Gleichzeitig scheine die Bereitschaft zum Einhalten der Schutzregeln bei einem kleineren Teil der Bevölkerung abzunehmen. „Man muss also von einem Trend sprechen, der uns klarmacht, dass es so nicht weitergehen kann.“ Abstand, Hygiene und die Maskenpflicht müssten wieder konsequenter eingehalten werden.

Man solle es nicht tolerieren, „wenn Menschen im öffentlichen Nahverkehr die Maske als Kinnschutz tragen. Das ist auch schnell eine Großveranstaltung, wenn in einem vollen Waggon viele Menschen eng beieinanderstehen.“ Vielleicht müsse man manche auch wieder damit konfrontieren, dass die Covid-19-Erkrankung weiter gefährlich sei, sagte Johna.

Viele kennen in ihrem Bekanntenkreis niemanden, der relevant erkrankt sei. Daher hätten manche „das Gefühl, es sei weit weg. Aber es ist nicht weit weg“, erklärte die Verbandschefin. Es gebe weiter schreckliche Schicksale Erkrankter, denen auch modernste Mittel der Medizin nicht mehr helfen konnten. Und „was häufig vergessen wird: Unter den Erkrankten gibt es auch Menschen, die lang andauernde Schäden zurückbehalten.“

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Die Zahl der Corona-Infektionen in Deutschland lag am Samstag den dritten Tag in Folge über der Schwelle von 1000 neuen Fällen. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) seien 1122 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages verzeichnet worden. Im Vergleich zum Freitag, an dem 1147 neue Fälle binnen 24 Stunden gemeldet wurden, ging die Zahl am Samstag etwas zurück. Am Donnerstag hatte die Zahl der Neuinfektionen mit 1045 Corona-Fällen erstmals wieder über der Schwelle von 1000 gelegen. Sie war zuletzt am 9. Mai überschritten worden.

Am Sonntag sank die Zahl der Infektionen wieder unter die Schwelle von 1000 Fällen. Das RKI verzeichnete 555 neue Corona-Infektionen. Seit Beginn der Corona-Krise hätten sich somit mindestens 215 891 Menschen nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert. Ein Grund für die Halbierung der Infektionszahl kann sein, dass an Wochenenden nicht alle Gesundheitsämter ihre Daten übermitteln.