Manche Senioren kennen sich besser aus als andere. Foto: stock.adobe.com/Robert Kneschke

Der Videoanruf bei der Familie und der Einkauf im Internet werden für ältere Menschen während der Corona-Pandemie wichtiger denn je. Bei der Digitalisierung geht es für Senioren aber um mehr – darauf weist Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hin.

Berlin - Für ältere Menschen ist die Corona-Krise besonders belastendend. Weil das Risiko einer schweren Erkrankung mit zunehmendem Alter steigt, galten während der ersten Pandemiewelle etwa in Alten- und Pflegeheimen besonders strenge Besuchsverbote. Gleichzeitig verließen so manche Senioren, die zuhause leben, die eigenen vier Wände aus Angst vor einer Ansteckung nur im Ausnahmefall. In dieser Zeit wurde die Videokonferenz mit der Familie ebenso zur Normalität wie der digitale Amtsbesuch oder der Einkauf im Internet.

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Doch wenn es um die Frage geht, wie Senioren durch Digitalisierung ein selbstbestimmtes Leben führen können, dann zählt laut Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) mehr als das. „Es geht um echte Teilhabe oder Zugang zu Informationen für ältere Menschen“, sagt sie bei der Vorstellung des Altersberichts für die Bundesregierung zum Thema Digitalisierung. Über ihn beriet am Mittwoch zunächst das Bundeskabinett, anschließend wurde er in Berlin präsentiert.

Was ist der Altersbericht?

In jeder Legislaturperiode beschäftigt sich seit 1994 eine unabhängige Sachverständigenkommission mit der Lebenssituation von älteren Menschen in Deutschland und den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen, die Senioren betreffen. Sie besteht aus Experten unterschiedlicher Fachrichtungen. In den zurückliegenden Berichten ging es etwa um Wohnen im Alter und Altersbilder in der Gesellschaft.

Digitalisierung wegen Corona?

Die Digitalisierung hat wegen des Coronavirus zwar noch einmal an Wichtigkeit gewonnen, die Kommission hat ihre Arbeit aber vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie beendet. Die Empfehlungen seien eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Seniorenpolitik der Regierung. Sie seien auch während und nach der Krise noch von Bedeutung, so die Ministerin.

Wie sehen die Erkenntnisse aus?

Andreas Kruse ist Vorsitzender der Altersberichtskommission und Institutsleiter für Gerontologie an der Uni Heidelberg. Für ihn ist wichtig zu betonen, dass Digitalisierung nicht nur Kommunikationstechnologien betreffe. Es ginge auch darum, wie Digitalisierung in den Bereichen Wohnen, Mobilität, Pflege und Gesundheit zu einem guten Leben im Alter beitragen könne. Konkret heißt das: Senioren müsse etwa vermittelt werden, wie sie telemedizinische Angebote nutzen könnten. Oder nach Schlaganfällen könnten so genannte Exoskelette eingesetzt werden, mit denen der Körper wieder bewegt werden kann.

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Der Bericht zeige auch, dass es eine digitale Spaltung innerhalb der älteren Generation gebe, sagt Giffey. Dies sei auf den Bildungsstand, den sozialen Status oder auch den Wohnort zurückzuführen. Digitale Angebote müssten also nicht nur zugänglich sein, sondern auch handhabbar – sowohl hinsichtlich der Nutzeroberfläche als auch angepasst auf die jeweilige Kompetenz der Senioren.

Welche Voraussetzungen sind für digitale Teilhabe notwendig?

Für Franz Müntefering, den ehemaligen SPD-Chef und heutigen Vorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisation, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens müsse der Zugang zum schnellen Internet gesichert sein. „Breitband und Mobilfunk, und zwar flächendeckend“, sagt er. Zweitens müssten Senioren aber auch dazu bereit sein, sich die digitalen Kompetenzen anzueignen, so Müntefering: „Und man muss es dann auch akzeptieren, wenn jemand das nicht möchte.“ Andreas Kruse spricht sogar von einem Grundrecht und von „digitaler Daseinsvorsorge“.

Heißt das kostenloses Internet für alle?

Nein, das stellt die Ministerin klar. „Natürlich kosten Dinge Geld“, sagt sie. Es ginge vielmehr darum, dass die Internetverbindung auch stehe, wenn man bereit sei, dafür zu bezahlen.

Was wird schon umgesetzt?

Laut der Ministerin würden etwa Pflegeschulen digital ausgestattet, wovon ältere Menschen profitierten. Auch würden „die 534 Mehrgenerationenhäuser in Deutschland beim Kapazitätsaufbau im Hinblick auf die Digitalisierung vor Ort unterstützt“. Im Rahmen des Projekts Digitaler Engel, das Anfang des Jahres startete, würden Schulungen in diesen Häusern angeboten – für Vermittler der digitalen Kompetenzen und für die Senioren selbst.

Wie geht es weiter?

Im Oktober, kündigt Franziska Giffey an, solle ein Programm starten, bei dem technikgestütztes und digitales Wohnen an Modellstandorten gefördert wird. „Wenn jemand an Demenz erkrankt ist, dann kann ein sich selbst abschaltender Herd ganz wesentlich dafür sein, dass Menschen selbstbestimmt zuhause wohnen können“, erklärt Giffey exemplarisch.