Vielleicht kann schon zu Beginn des kommenden Jahres eine Impfung immun gegen Covid-19 machen. Foto: dpa

Eine euphorische Ankündigung von Jens Spahn sorgt für Verwirrung, aber tatsächlich sind die Impfstoff-Forschungen weit fortgeschritten.

Berlin - Das Bundesgesundheitsministerium hatte am Freitag alle Hände voll zu tun, aufkommende Euphorie über womöglich noch in diesem Jahr startende Impfungen gegen das Corona-Virus zu dämpfen. Das Pikante an der Sache: Die Euphorie hatte zuvor Minister Jens Spahn (CDU) selbst entfacht. Vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages und in einer Videokonferenz mit den Fachministern der Länder hatte Spahn in dieser Woche tatsächlich darauf verwiesen, dass der Impfstoff sehr schnell zur Verfügung stehen könne.

Ein Sprecher des Ministeriums stellte nun aber klar, „dass erste Corona-Impfungen voraussichtlich in den ersten Monaten des nächsten Jahres möglich werden.“

Spahn selbst sprach in einem Interview sogar noch defensiver davon, dass der Impfstoff „Januar, vielleicht auch Februar oder März – oder sogar noch später“ zur Verfügung stehe. Das liegt dann schon eher auf der Linie, die auch von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) immer vertreten wurde. Das hatte zuvor anders geklungen und war in Kreisen der Abgeordneten und Länderminister auch anders angekommen.

Spahns Optimismus stützt sich auch Mainzer Firma

Spahns Optimismus stützt sich vor allem auf die Forschungen der Mainzer Firma Biontech. Tatsächlich hat die Europäische Arzneimittelagentur EMA bereits ein sogenanntes Rolling-Review-Verfahren für den Impfstoff von Biontech eröffnet. Dieses Verfahren dient der erheblich beschleunigten Bewertung der bisherigen Studienergebnisse. Die müssen vorliegen, damit bei der Europäischen Kommission der Zulassungsantrag gestellt werden kann. Es ist erst das zweite Verfahren dieser Art für einen Corona-Impfstoff bei der Arzneimittelagentur EMA. Das erste bezieht sich auf ein Forschungsprojekt von Wissenschaftlern der Universität Oxford und des Unternehmens AstraZeneca.

Entscheidende Forschungsphase läuft

Derzeit läuft bei Biontech die entscheidende Forschungsphase auf Hochtouren. Finanzvorstand Sierk Pötting sagte unserer Zeitung, dass inzwischen rund 40 000 von insgesamt 44 000 Probanden in die entscheidende Studie einbezogen sind. „Ende Oktober bis Anfang November werden erste Wirkungsdaten vorliegen“, sagte Pötting. Diese würden dann ausgewertet und umgehend der EMA zugeleitet. Pötting wollte keine Prognose abgeben, wann schließlich mit der endgültigen Zulassung zu des Imfpstoffs rechnen ist, sagte aber: „Wir arbeiten so schnell wir können.“

Liegt der Wirkstoff vor, sind auf dem Weg zur Massen-Impfung noch eine Reihe von Aufgaben zu leisten. So muss die Frage befriedigend gelöst werden, in welcher Reihenfolge eigentlich geimpft werden soll, da zunächst erst einmal eine begrenzte Menge Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Für diese Frage der Priorisierung soll die so genannte Ständige Impfkommission, der Ethik-Rat und Experten der Leopoldina einen gemeinsamen Vorschlag entwickeln, der möglichst noch im Oktober vorliegen wird.

Bundesgesundheitsminister Spahn hat bereits deutlich gemacht, dass Beschäftigte des Gesundheitswesens zu den ersten gehören sollen, die geimpft werden. Welche Risikogruppen zudem bevorzugt Zugang zum Impfstoff erhalten sollen, ist eine noch zu lösende heikle Frage.

Beschäftigte des Gesundheitswesens sollen zuerst geimpft werden

Zu klären ist dann auch noch die Frage, wo und durch wen geimpft werden soll. Für Thomas Mertens, dem Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission ist eines klar: „Es ist völlig unvorstellbar, das den Hausärzten zu überlassen.“ Die sollen nicht in die Situation gebracht werden, Patienten eine Impfung abzuschlagen, weil sie nicht zu den zunächst berücksichtigten Gruppen gehören.

Ministerium bevorzugt zentrale Impfzentren

Deshalb bevorzugt das Ministerium zentrale Impfzentren. Die müssen bestimmte Anforderung erfüllen, der Impfstoff muss zum Beispiel durchgehend bei hohen Minusgraden gelagert werden können. Im Gespräch ist die Einrichtung von rund 60 solcher Zentren in ganz Deutschland. Gedacht ist da zum Beispiel an große Gebäude wie Messehallen.

Auch in Baden-Württemberg wird es mehrere solcher Zentren geben. Wie unsere Zeitung erfuhr, könnten etwa acht solcher zentralen Impfstellen im Südwesten eingerichtet werden. Eine Frage ist allerdings schon längst geklärt: Die Impfung wird freiwillig sein. Soll sie wirklich erfolgreich sein, muss mindestens eine Impfquote von 55 bis 65 Prozent der Bevölkerung erreicht werden.