Corona, Ukraine-Krieg, Personalmangel: Den Krankenhäusern geht es so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Foto: Rudel/Regenscheit

Die Krankenhäuser in Stuttgart und der Region sind in der schwierigsten Lage seit Jahrzehnten. Vor allem die Coronapandemie hat den Kliniken zugesetzt.

Jörg Martin ist schon ein paar Jahre im Geschäft. Fast 40 Jahre arbeitet der Mediziner im Krankenhaus, zuerst als Anästhesist, seit vielen Jahren nun als Geschäftsführer der Kliniken Holding RKH, zu der die Krankenhäuser der Landkreise Ludwigsburg, Enz und Karlsruhe gehören. „So eine schwierige Situation hatten wir noch nie“, sagt Martin. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Das gilt nicht nur für die RKH Holding.

Die Coronapandemie hat den Trägern zugesetzt. Sie ist auch noch nicht ausgestanden, aber seit Juli bekommen die Kliniken keine Coronahilfen mehr vom Bund. Das Personal ist ausgelaugt, durch Corona und andere Infektionskrankheiten fallen viele Mitarbeiter aus, manche hat man ganz verloren. Dadurch vor allem ist die Leistungsfähigkeit der Kliniken stark limitiert.

Je nach Träger und Haus liegt der Rückgang der Patientenzahlen gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 bei bis zu minus 15 Prozent. Entsprechend hat die Zahl der Betten, die zuvor schon nicht komplett belegt waren, nochmals abgenommen. So ist im Klinikum der Stadt Stuttgart die Auslastung der rund 2000 Planbetten von vorher 83 auf 73 Prozent gesunken, erklärt der Medizinische Vorstand Jan Steffen Jürgensen. Das Stuttgarter Marienhospital wird zumindest bis Januar die betriebene Bettenzahl vorübergehend von vorher rund 730 auf etwa 610 reduzieren. Dadurch werden die Auslastung und die Wirtschaftlichkeit verbessert. In anderen Kliniken in Stadt und Region sieht es, von Ausnahmen abgesehen, nicht besser aus.

Kommunale Träger gewähren Kredite

Markus Mord, der Geschäftsführer des Marienhospitals, sagt, man müsse „die Liquidität sichern“. Das ist angesichts der stark gestiegenen Kosten für alle Krankenhäuser ein drängendes Thema. Es geht dabei um die Abwendung der Zahlungsunfähigkeit, also der Insolvenz. Martin Loydl, der Geschäftsführer des Klinikverbunds Südwest mit sechs Standorten in den Landkreisen Böblingen und Calw, betont: Drei Viertel aller Kliniken bundesweit schrieben rote Zahlen, „über ein Drittel wird in eine kritische Liquiditätssituation geraten“. Bei den Südwestkliniken betrage der Umsatzrückgang rund 13 Millionen Euro, die negativen Auswirkungen der Ukraine-Kriegs veranschlagt der Geschäftsführer mit weiteren fünf Millionen Euro. Entsprechend steigt das Defizit.

Deshalb hätten die Trägerlandkreise Böblingen und Calw auch „Bürgschaften zur Erhöhung des Kreditrahmens zur Sicherung der Liquidität verabschiedet“, so Martin Loydl. Die Stadt Stuttgart hat ihrem Klinikum bis zum Jahresende in vier Kredittranchen 50 Millionen Euro an Liquiditätshilfe genehmigt. „Damit wir zahlungsfähig bleiben“, sagt Alexander Hewer, der Kaufmännische Vorstand. Wie stark die Belastungen gestiegen sind, zeigt das Beispiel der Energiekosten. Diese stiegen von rund zehn Millionen Euro vor zwei Jahren auf nunmehr rund 45 Millionen Euro, erzählt Hewer. Auch andere Geschäftspartner hätten die Preise um 20 bis 30 Prozent erhöht.

Mittel der Kassen und des Landes fließen zu langsam

Deshalb sei man „sehr dankbar“ für die Unterstützung durch die Stadt, betont Alexander Hewer. Er wisse, „dass das nicht jeder Träger kann“. Weshalb die Ordensgemeinschaft der Vinzentinerinnen, der das Marienhospital gehört, zu den Veränderungen im eigenen Haus denn auch kritisch angemerkt hat, man müsse schneller reagieren als andere in Stuttgart, die selbst noch übertarifliche Gehaltszulagen von der Kommune finanziert bekämen.

Aber es sind nicht nur Leistungsminderungen durch Personalknappheit und die Energiekosten, welche den Klinikträgern zusetzen und ihre Liquidität einschränken . Auch der Zufluss an Fördermitteln des Landes und die Budgetzahlungen der Kassen lassen länger auf sich warten. So habe man mit den Kassen zwar das Budget 2020 verhandelt, sagt Alexander Hewer. Aber die Summe werde „abfinanziert, das dauert zwei Jahre, bis alles bezahlt ist“. Mark Dominik Alscher, der Medizinische Geschäftsführer des Robert-Bosch-Krankenhauses, spricht von „verzögerten Budgetverhandlungen“ mit den Kassen. Investitionen in Gebäude, Medizingerät, IT-Ausstattung, die gefördert werden, müssten zunächst komplett selbst finanziert oder zwischenfinanziert werden. Alscher spricht von „mehr als 50 Millionen Euro, da warten wir auf Zahlungen, diese Liquidität fehlt“.

Nun hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auch noch die größte Krankenhausreform der vergangenen zwei Jahrzehnten angekündigt. Die Kliniken sollen künftig möglichst viele Eingriffe nur noch ambulant machen. Was einen beträchtlichen Bettenabbau bedeuten könnte. Auf die Krankenhäuser wartet also die nächste Herausforderung. Jörg Martin von der Kliniken Holding RKH hält die Pläne des Ministers noch für „unausgegoren“. Und zur dringend benötigten Unterstützung der Kliniken in der Energiekrise, die Lauterbach kürzlich versprochen hat, stellt Alexander Hewer nüchtern fest: Bisher gebe es nichts „außer ein paar warmen Worten“.