Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ringt mit seinen Finanzminister-Kollegen aus den EU-Staaten um einen Kompromiss. Foto: dpa/John Macdougall

Corona-Anleihen sind offenbar vom Tisch. Doch nun wollen die Niederlande Hilfskredite an Strukturreformen knüpfen.

Brüssel - Auch Video-Schalten können endlos dauern. Das haben die 27 Finanzminister der EU-Staaten am Dienstag erfahren. Mit kurzen Unterbrechungen starrten die Minister in der Nacht zu Dienstag in ihren Büros acht Stunden lang auf die Bildschirme. Und schafften dabei nicht den Durchbruch bei der Frage, wie die gemeinsame Antwort der Finanzpolitiker auf die kommende Rezession lauten soll.

Die Minister haben sich auf diesen Donnerstag vertagt. Es geht um eine fundamentale Weichenstellung für die Zukunft. Die Finanzminister ringen darum, in welchem Ausmaß die Mitgliedstaaten sich finanziell an der Bewältigung der akuten Krise in den besonders betroffenen Ländern sowie an den nationalen Rettungsprogrammen beteiligen. Vordergründig geht es um komplizierte Instrumente am Finanzmarkt, letztlich stehen dahinter Belastungen in Form von Milliarden-Beträge, die auf die nationalen Haushalte zukommen. Die EU-Verträge bedingen es, dass die Entscheidungen einstimmig getroffen werden. Wenn sich die Finanzminister einig sind, müssen die Beschlüsse in einer Runde der Staats- und Regierungschefs bestätigt werden.

Rettungspakete für die Wirtschaft

Die Bundesregierung kann mit dem Verlauf der Verhandlungen bisher zufrieden sein. Daraus machte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) keinen Hehl, als er am Morgen danach Zwischenbilanz zog: Drei Vorschläge, für die sich Berlin stark gemacht hat, standen demnach im Mittelpunkt. Die Investitionsförderbank der EU (EIB) soll zinsgünstige Darlehen im Volumen von 200 Milliarden Euro an kleine und mittlere Unternehmen ausgeben. Der Euro-Rettungsschirm ESM soll Kredite bis zu 200 Milliarden Euro an Mitgliedstaaten vergeben können, die Rettungspakete für ihre Wirtschaft schnüren. Damit soll hoch verschuldeten Mitgliedstaaten erspart werden, hohe Risikoaufschläge an den Finanzmärkten zahlen zu müssen. Außerdem sollen 100 Milliarden Euro als Darlehen der EU für Mitgliedstaaten verfügbar gemacht werden, damit diese in ihren Ländern Kurzarbeiter-Regelungen zur Sicherung qualifizierter Jobs auflegen können. Der ESM wäre innerhalb von wenigen Tagen und Wochen einsatzbereit, für das Kreditprogramm bei der EIB und für das Kurzarbeitergeld müssten die Staaten zuvor noch finanzielle Garantien aussprechen. Insgesamt geht es um Hilfen von mehr als 500 Milliarden Euro – „eine gewaltige Summe“, wie Scholz feststellt. Die Frage ist, ob das Geld ausreicht. Die Kommission befürchtet, dass die Wirtschaftsleistung dieses Jahr um bis zu zehn Prozent einbrechen könnte. Die Europäische Zentralbank (EZB) schätzt, dass Hilfen im Volumen von 1,5 Billiarden Euro nötig werden.

Weitgehend einig

Scholz sagte, die Minister seien sich „sehr weit einig geworden – aber eben nur fast“. Streit gibt es offenbar, weil die Niederlande die Gewährung von Hilfskrediten über den ESM an weitergehende Bedingungen knüpfen wollen. Frankreich und Italien müssten im Gegenzug bereit sein, etwa das Renteneintrittsalter heraufzusetzen und die Arbeitsmärkte zu liberalisieren. Das ist für die betroffenen Länder ein Affront. Die Groko sei hier, wie Scholz sagte, „völlig im Einklang mit Ländern wie Frankreich, Portugal und Spanien“. Troika-Besuche, wie es sie in Griechenland in der Staatsschuldenkrise gab, sowie die Pflicht zu Strukturreformen, seien „weder zielführend noch angemessen“.