Im Kassenbereich eines Supermarkts stauen sich die Kunden (Symbolbild) Foto: IMAGO/Martin Wagner

Seit gut einem Monat gilt in Supermärkten keine Maskenpflicht mehr. Wie hoch ist dort mittlerweile das Infektionsrisiko etwa für Corona? Wir haben es gemessen.

Wie hoch ist das Corona-Infektionsrisiko im Supermarkt? Das fragen sich viele, seitdem die Maskenpflicht auch beim täglichen Einkauf nicht mehr gilt. Wir suchen die Antwort in Daten, die wir in mehreren Stuttgarter Supermärkten gesammelt haben. Gibt es Unterschiede zwischen Discountern, Vollsortimentern und Minimärkten?

Die Daten haben wir mit einem mobilen CO2-Messgerät gesammelt, das uns der Holzgerlinger Aktivist Guido Burger zur Verfügung gestellt hat. Er hat in der Pandemie unter anderem einen Bausatz für CO2-Ampeln entwickelt, der sehr oft und vor allem an Schulen nachgebaut wurde.

Warum machen wir das? Nach dem Ende der Maskenpflicht sind sich viele unsicher, ob sie beim täglichen Einkauf einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Die CO2-Konzentration in der Luft gibt Hinweise auf den Aerosol- und damit möglicherweise auch den Virenanteil in der Luft. Sofern Infizierte im Raum sind, kann man auf diese Weise indirekt das Infektionsrisiko messen – vor allem, wenn kaum jemand eine Maske trägt, die Viren herausfiltert. Seit dem Ende der Maskenpflicht ist der Zusammenhang von CO2-Konzentration und Infektionsrisiko deutlich enger – insbesondere bei hohen Inzidenzen.

Diese Werte haben wir gemessen

Im Großen und Ganzen geben unsere Messungen Entwarnung: Das Corona-Infektionsrisiko im Supermarkt scheint eher gering – allerdings mit Ausnahmen, wie sich zeigen wird. Die CO2-Konzentration überschritt in den seltensten Fällen den Wert von 900 ppm (Teilchen pro Million). Ungefähr von diesem Wert an empfiehlt das Umweltbundesamt, die Fenster zu öffnen und durchzulüften.

Das Preissegment hat offenbar keinen Einfluss auf die Luftqualität und das Infektionsrisiko im Markt. Vielmehr maßen wir ausgerechnet im teuersten der untersuchten Supermärkte die höchste CO2-Konzentration.

Gemessen haben wir in einem Discounter in der Innenstadt, außerdem in Stuttgart-West in zwei Filialen eher hochpreisiger Vollsortimenter, in einem Bioladen sowie einem kleinen Markt „an der Ecke”, der nicht den Namen einer Kette trägt.

Zunächst zeigen wir die Entwicklung der Werte im Verlauf der Supermarktbesuche. Bis auf einen Vollsortimenter zeigt sich kaum ein Ausschlag.

Der Discounter (Netto am Rotebühlplatz) war gut besucht, gerade im Kassenbereich stauten sich die anstehenden Menschen – was auf eine erhöhten Infektionsgefahr hindeuten kann. In dem Discounter in der Innenstadt trugen während unserer etwa zehn Minuten dauernden Messung gegen 16 Uhr die meisten Kunden Masken. Das würde selbst bei relativ hohen CO2-Werten das Infektionsrisiko deutlich absenken, weil die Masken zwar CO2 durchlassen, aber Aerosole tendenziell aus der Atemluft filtern.

Maske weiter sinnvoll

„Gerade im Supermarkt“ sei das freiwillige Tragen einer Maske weiterhin sinnvoll, sagte jüngst der Virologe Bodo Plachner im ZDF: „Dort ist in der Regel eine Lüftungsanlage verbaut und man ist nicht zwei Stunden dort, sondern eine kürzere Zeit. Hier kann man das Risiko entsprechend durch die Maskenpflicht sehr verringern.”

In dem Discounter waren die Luftwerte aber ohnehin selbst im Kassenbereich gut. Sie liegen konstant unter 800 ppm. In Klassenzimmern würde eine CO2-Ampel bei dieser Konzentration noch grün leuchten.

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Im Minimarkt „Marktecke“ in Stuttgart-West trug bei unserer Messung gegen 16.30 Uhr (ebenfalls ca. 10 Minuten) nur etwa jeder Zweite eine Maske. Allerdings waren auch deutlich weniger Kunden im Laden als in dem Discounter. Die Werte lagen etwas höher, aber immer durchweg unter 900 ppm. Die CO2-Ampel würde typischerweise erst über 1000 gelb leuchten und damit Lüften empfehlen.

Überraschung im oberen Preissegment

Gegen 17 Uhr maßen wir in zwei relativ großen Supermärkten aus dem höheren Preissegment – und ermittelten stark unterschiedliche Werte. In dem größeren der beiden Märkte (Edeka an der Rotebühlstraße) lagen die Werte wie auch im Discounter zwischen 700 und 800 ppm. In der kleineren, um diese Uhrzeit relativ mäßig besuchten Filiale (Rewe an der Schwabstraße) lagen die Werte dagegen durchweg über 1200 ppm – an der relativ gedrängt gestellten Gemüsetheke und im Kassenbereich sogar bei bis zu 1400 ppm.

Der hohe Wert hat uns überrascht, zumal nur relativ wenige Kunden im Markt waren. Zwar trugen die meisten von ihnen Masken. Dennoch konfrontierten wir die Supermarktkette mit unseren Messungen – etwa weil die hohen Werte mit einer Fehlfunktion der Belüftungsanlage zusammenhängen könnten.

Sprecherin dementiert hohe Werte

Eine Sprecherin erklärte, man könne „die Messwerte nicht nachvollziehen”. Die Frischluftzufuhr werde mittels CO2-Sensoren gesteuert, ausweislich einer Pressemitteilung war das schon vor Pandemiebeginn so. Ihr lägen „andere, tagesaktuelle Werte aus dem genannten Markt vor“, so die Sprecherin. Sie wollte uns diese Messwerte jedoch nicht zur Verfügung stellen.

Daher haben wir im selben Markt zu einer ähnlichen Uhrzeit wie beim ersten Mal noch einmal gemessen – und die Ergebnisse der ersten Messung bestätigt. Wiederum lag die CO2-Konzentration im Gemüse- und Kassenbereich um die 1400 ppm.

Immerhin trugen in dem besagten Markt die meisten Menschen eine Maske. Das reduziert das Infektionsrisiko. Sollte sich das einmal ändern, könnte eine ansteckende Person aber durchaus andere Kunden infizieren. Jedenfalls wäre das ausweislich unserer Messungen in dieser Filiale wahrscheinlicher als in den anderen Märkten, die wir untersucht haben.

Auch in dem von uns zum Abschluss besuchten Bioladen im Stuttgarter Westen (Plattsalat) scheint das Infektionsrisiko gering. Hier herrscht nicht nur nach wie vor Maskenpflicht, auch das Besucheraufkommen ist überschaubar und die CO2-Konzentration mit Werten unter 750 auch ausgesprochen gering.

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Fazit: Insgesamt scheint das Infektionsrisiko beim Einkauf nach Ende der Maskenpflicht gering, jedenfalls ist die Luftqualität in den meisten untersuchten Supermärkten nicht schlechter als in anderen Innenräumen. Wer sich besonders gut schützen möchte, kauft zu Randzeiten ein, trägt selbst eine Maske und wählt Märkte, in denen dies möglichst auch die anderen Kunden tun.