Die Corona-Bedingungen haben Clair Bötschi inspiriert. Foto: privat

Wenn die Einparkhilfe piepst, könnte es gut sein, dass auf dem Sensor ein Kunstwerk von Clair Bötschi klebt. Der Künstler hat ein ungewöhnliches Sommerprojekt für die Autostadt Stuttgart gestartet.

Stuttgart - Sollte es in diesen Tagen beim Einsteigen ins Auto piepsen, könnte das ein gutes Zeichen sein – zumindest, wenn die Einparkhilfe Alarm schlägt, sich aber gar kein Hindernis hinterm Auto befindet. Ein Blick auf den Wagen würde jetzt nicht schaden, denn vielleicht wird man mit einem originalen Kunstwerk belohnt, das man geschenkt bekommt.

Clair Bötschi, ein Künstler, der in den Stuttgarter Wagenhallen sein Atelier hat, grätscht mit seinen künstlerischen Arbeiten gern mitten in den Alltag hinein. Sein neues Projekt „Art-Park-System“ findet an einem Ort statt, der nun wahrlich nicht für Kunst prädestiniert ist: auf Stoßstangen. Er klebt kleine Gemälde und Zeichnungen auf beliebige Wagen in der Stadt direkt auf den Sensor der Einparkhilfe, damit diese beim Starten auf das Hindernis reagiert und piepst. „Kann Kunst auch ein Hindernis ein?“, will Clair Bötschi damit fragen. „Es soll eine kleine Irritation entstehen“, sagt er.

Zu der kommt es sicherlich. Wer sich die vier mal dreizehn Zentimeter großen Originale genauer anschaut, wird aber bald verstehen, dass es sich um ein Kunstprojekt handelt. Auf der Rückseite befindet sich ein QR-Code, der zu einer Homepage führt, die über das Projekt informiert. Außerdem steht eine Art Gebrauchsanleitung auf den Arbeiten: „Ein Einparksystem meldet Kunst. Achtung, parken Sie nicht aus. Nehmen Sie sich Zeit, das Kunstwerk zu betrachten. Ob Kunst ein Hindernis ist, entscheiden Sie.“

Die Kunst wird auf die Stoßstange geklebt – rückstandsfrei

„Mir geht es darum, Leute zu erreichen“, so der 31-Jährige, der die geparkten Autos zufällig auswählt. Bötschi rechnet natürlich damit, dass sich einige Autobesitzer aufregen werden, wenn es piepst und sie vom Steuer aus kein Hindernis erkennen können. „Aber die Kunst darf das auch mal, dass die Leute sich aufregen.“ Beschädigt wird das Auto bei der Aktion nicht, er klebt die Bilder mit Fixogum an die Stoßstange.

„Das lässt sich rückstandslos wieder entfernen.“ Bis Ende August wird Clair Bötschi für sein Sommerprojekt in Stuttgart unterwegs sein. Die ersten Werke stammen von ihm, in den kommenden Wochen werden aber auch andere Stuttgarter Künstlerinnen und Künstler Arbeiten beisteuern.

Das Thema der Bilder ist der Begriff Hindernis, „das kann man abstrakt denken oder auf die Zeit beziehen“, sagt Bötschi, „das ist völlig frei“.

Die Autobesitzer bekommen das Werk selbstverständlich geschenkt, sofern sie es behalten mögen. Wenn sie trotz Piepsen losfahren, wird es vermutlich irgendwann abfallen. Andere werden es vielleicht auch nur flüchtig anschauen und dann entsorgen. „Das muss das Kunstwerk aushalten“, sagt Clair Bötschi, „aber manche freuen sich vielleicht auch“.

„Kunst kann die Wahrnehmung schärfen“, ist sich der 31-Jährige sicher. Dass er sich bei seiner Intervention für Autos entschieden hat, hat mit dem aktuellen Kulturbetrieb unter Corona-Bedingungen zu tun, weil Konzerte und Theater nun häufig ähnlich wie Autokino stattfinden. „Man nimmt Kunst jetzt durch das Auto wahr, es ist zu einem Kulturraum geworden“, so Bötschi.