Zum Lichtfest der Juden, das auf die wundersame Vermehrung von Öl im Tempel von Jerusalem zurückgeht, sind am achtarmigen Leuchter vor dem Neuen Schloss sechs Lichter entzündet worden.
Der Jahreswechsel ist nicht mehr fern, da wurde es vor dem Neuen Schloss noch ein Stückchen heller: Seit sechs Tagen schon feiern die Juden das Lichterfest Chanukka, nun konnte Yehuda Pushkin, Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Stuttgart, am Chanukka-Leuchter vor dem Neuen Schloss bereits sechs Lichter entzünden. Dessen acht Arme erinnern an ein großes Wunder, das sich vor 2189 Jahren in Jerusalem zugetragen hat und von dem Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) erzählte.
Es ist eine dieser Geschichten – wie sie allen jüdischen Festen zugrunde liegen – die meist von der wunderbaren Errettung des jüdischen Volkes aus großer Not und Bedrängnis berichten und somit Anlass zu Freude und fröhlichem Feiern sind. Eine Freude, von der sich die vielen zugewandten Gäste am Montagabend gern anstecken ließen: Beim gemeinsamen Singen der Chanukka-Lieder mit Pushkin, in Vertretung des erkrankten Kantors Nathan Goldman, und bei der Einladung zu Wein und Sufganjot, leckeren Berlinern.
Die Geschichte hinter dem Chanukka-Leuchter
Es begab sich vor 2189 Jahren: Da waren Judäa und Jerusalem besetzt von den persischen Seleukiden, die mit brutaler Unterdrückung herrschten. Selbst das Lernen der Tora hätten sie, so Traub, unter Androhung drakonischer Strafen verboten. „Doch unsere Vorfahren hielten fest an unseren jüdischen Traditionen und lehrten ihre Kinder weiter die Gebote Gottes.“ Und die Kinder lernten dabei noch mehr fürs Leben: „Immer, wenn persische Soldaten vorbeikamen, packten die Kinder schnell ihre Dreidel aus und taten so, als spielten sie nur.“
Barbara Traub hatte einen solchen Dreidel, also Kreisel, mitgebracht, geziert von den vier Anfangsbuchstaben der Worte Nes Gadol Haja Scham: Es geschah ein großes Wunder. Dieses Wunder hat sich zugetragen, als die Makkabäer nach drei Jahren endlich Jerusalem befreiten, die Zeus-Statue aus dem Tempel flog, und man den Tempel erneut Gott weihen wollte. Dort fand sich jedoch nur ein einziges Krüglein geweihten Öls vor, das nach menschlichem Ermessen nur einen einzigen Tag für das Licht des siebenarmigen Leuchters gereicht hätte. Doch, oh Wunder, es hielt ganze acht Tage – genug Zeit, um neues geweihtes Öl zu beschaffen. Seither wird der Chanukka-Leuchter entzündet, jeden Tag ein Licht mehr, in der dunkelsten Zeit des Jahres und auch in der dunkelsten Zeit des Monats bei Neumond. An Tarnung wie schon einst die Kinder in Jerusalem geübt, stellten Juden in der NS-Zeit den Leuchter nicht weithin sichtbar ins Fenster zur Straße, sondern nach hinten zum Hof.
„Es ist ein Fest der Freude“
„Es ist ein Fest der Freude, das ganz bewusst im Kontext der Freiheit von Glauben und als Gegenentwurf zu religiöser Unterdrückung steht“, betonte Traub, die auch an das Massaker vom 7. Oktober vorigen Jahres und die Welle des Antisemitismus erinnerte. Die Welt sei wieder dunkler geworden, aber das Licht vom Chanukka-Leuchter werde als wichtiges Zeichen hinausgesendet in die Welt. „Es sind Lichter, die wir bitter nötig haben, um mit Zuversicht ins kommende neue Jahr blicken zu können“, betonte Bürgermeisterin Isabel Fezer, die den Schamash, das Diener-Licht, entzündet hatte und die jüdischen Mitbürger der Solidarität versicherte. Damit Stuttgart zu Chanukka noch heller wird.