Toni Kroos gewinnt Titel Nummer fünf. Foto: IMAGO/Focus Images/IMAGO/Matt Wilkinson

Der Deutsche Toni Kroos und sieben seiner Kameraden egalisieren den Champions-League-Rekord – zugetraut hat man es ihnen nicht.

Cristiano Ronaldo ist sein Alleinstellungsmerkmal los. Vor dem Finale zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool war er der einzige Spieler, der fünfmal die Champions League gewonnen hatte. Nach dem für die Madrilenen schmeichelhaften 1:0-Erfolg gegen Jürgen Klopps Liverpooler Starensemble haben nun aber acht (!) weitere Spieler fünfmal in der Königsklasse den Hauptpreis abgeräumt: die Real-Spieler Karim Benzema, Daniel Carvajal, Luka Modric, Gareth Bale, Casemiro, Marcelo, Nacho Fernandez und Toni Kroos.

Während Benzema glückselig umherlief und immer wieder alle fünf Finger einer Hand in die Höhe hob, musste sich Kroos nach diesem denkwürdigen Champions-League-Finale noch einmal kräftig ärgern. Als ein ZDF-Reporter wissen wollte, warum Real gegen Liverpool so in Bedrängnis geraten konnte, war das für Kroos des Guten zu viel. „Du hattest 90 Minuten Zeit, dir vernünftige Fragen zu überlegen, dann stellst du mir zwei so Scheißfragen – das ist Wahnsinn“, schimpfte Kroos und holte zu einer Art Allgemeinkritik aus: „Da weiß man direkt, dass du aus Deutschland kommst.“

Hart erkämpft

Sich nach diesem hart erkämpften Sieg, der für ihn und viele seiner Mitstreiter das Erreichen der Rekordmarke bedeutete, auch noch mit kritischen Fragen in die Suppe spucken zu lassen, das wollte sich Kroos nicht bieten lassen. „Ich fordere nicht mehr Respekt. Ich habe nach einem gewonnenen Champions-League-Finale nur eher positiv angelegte Fragen erwartet“, erklärte der Ex-Weltmeister später. Sicher, Liverpool war über weite Strecken die bessere Mannschaft und immer wieder am überragenden Real-Keeper Thibaut Courtois gescheitert. Doch das sauber herausgespielte 1:0 durch den 21 Jahre alten Angreifer Vinicius Junior in der 59. Spielminute, es reichte aus für Real Madrid, das einmal mehr zeigte, wie erfahren, abgebrüht und eiskalt es sein kann, wenn es darauf ankommt.

Es war kein Spaziergang für die Madrilenen, das ganze Jahr über schon nicht, das wussten sie selbst. Zwar warfen sie die Topadressen Paris Saint-Germain, Titelverteidiger Chelsea sowie Manchester City aus dem Rennen und besiegten zum krönenden Abschluss das unter Klopp groß gewordene Liverpool. Doch galt der spanische Rekordmeister nicht unbedingt als Favorit in diesem Finale, das ein glückliches Ende nahm. Zuvor hätte für Real gegen Paris und ManCity schon alles vorbeisein können, und es war Kroos selbst, den der Verlauf dieser Champions-League-Saison überraschte. „Ich habe vor der Saison nicht damit gerechnet, dass wir ins Finale kommen können – geschweige denn es gewinnen“, sagte der deutsche Mittelfeldspieler, der selbst dazu beigetragen hatte, dass dieser Finalerfolg möglich werden konnte. Als Stratege, der Ruhe reinbrachte, wenn es hektisch wurde, und der mit seinen Pässen Sicherheit bot.

Wenig spektakulär

Die Spielweise von Kroos ist wenig spektakulär, was ihm immer wieder den unschönen Spitznamen „Querpass-Toni“ bescherte. Der ehemalige Bayern-Macher Uli Hoeneß hatte sogar mal die These vertreten, dass Kroos nicht mehr in den Fußball moderner Prägung passe. All die Kritiker hat der Weltmeister von 2014 nun Lügen gestraft. Sie brauchen ihn und seine Routine bei Real. Der 32 Jahre alte gebürtige Greifswalder ist seit acht Jahren Stammkraft bei den Spaniern, und auf fünf Champions-League-Titel muss man es auch erst einmal bringen – das war die Botschaft des Finalabends in Paris.

Die Kritik an Kroos ging zuletzt aber auch immer einher mit der Kritik an Real Madrid im Ganzen. Eine Ansammlung von Altstars wie Modric, Benzema und Marcelo stehe da auf dem Platz, hieß es oft. Aber sie gehören noch nicht zum alten Eisen. „Real ist unsterblich“, schrieb die spanische Zeitung „Marca“ und attestierte der Truppe Legendenstatus, während das Blatt „AS“ den Erfolg als „heldenhaft, unerklärlich und paranormal“ bezeichnete.

Totgesagte leben länger

Totgesagte leben länger – man weiß es, und diese Formel trifft auch auf das Real Madrid des Jahres 2022 zu. Sie sind Meister geworden in der Liga, haben sich mühsam die europäische Krone erkämpft – es war der insgesamt 14. Erfolg in der Königsklasse überhaupt. Auf Platz zwei der ewigen Rangliste befindet sich der AC Mailand mit sieben Titeln, auf dem geteilten dritten Rang befinden sich der FC Bayern und Liverpool. Und dieser neuerliche Erfolg ist auch dem Trainer Carlo Ancelotti zu verdanken, der dieselbe Routine ausstrahlt wie sein Ensemble, welches der Coach auf einigen Positionen auch verjüngt hat. „Es gibt keinen Trainer, der so nah an der Mannschaft ist“, lobte Kroos den väterlichen Führungsstil des Italieners.

Ganz nah dran an dem deutschen Ex-Nationalspieler waren aber auch seine Kinder Leon, Amelie und Fin. „Es war das erste Mal, dass alle im Stadion waren. Es war mein großes Ziel, dass das heute passiert“, sagte Toni Kroos, der seinem Nachwuchs auch zeigen wollte, was der Papa so draufhat. Das war es, worüber er reden wollte. Und nicht über die Stärke des Gegners, der verloren hatte.