In Feierlaune: Die Bayern mit Leon Goretzka (links) und Serge Gnabry. Foto: imago/Peter Schatz

Mit dem epochalen 8:2-Viertelfinal-Sieg gegen den FC Barcelona hat sich der deutsche Fußball-Rekordmeister zum Favoriten in der Königsklasse geschossen. Wir haben acht Gründe aufgelistet, warum das so ist.

Stuttgart/Lissabon - Ins Rollen kamen die Profis des FC Bayern auch am Tag nach ihrem historischen 8:2-Sieg gegen den FC Barcelona. Im Mannschaftshotel knapp 25 Kilometer westlich von Lissabon radelten die Spieler am Samstag draußen an der frischen Luft auf ihren Ergometern aus, am Sonntag stand dann wieder ein Mannschaftstraining auf dem Plan. Alles läuft normal weiter, fast so, als habe es dieses epochale 8:2 gar nicht gegeben. Längst ist der Blick nach vorne gerichtet aufs Halbfinale der Königsklasse gegen Olympique Lyon an diesem Mittwoch (21 Uhr). „Wir sind noch nicht am Ende“, sagt Joshua Kimmich, kalt wie ein Eisschrank. Die totale Fokussierung, das ist nur einer von vielen Gründen, warum der FC Bayern derzeit so überragend auftritt. Wir haben acht weitere gefunden – passend zum Acht-Tore-Festival gegen Barca.

Die Mentalität

Ein einfacher Satz von Thomas Müller sagt viel aus über die Einstellung der Bayern-Profis: „Wichtig ist, dass jeder sich quält.“ Auch dann noch, wenn wie gegen Barca nach dem Tor zum 5:2 in Minute 57 fast alles entschieden ist. Die Bayern hörten nicht auf. Sie machten weiter, immer weiter – das alte Vereinsmotto wird aus der Mottenkiste geholt. Warum das so ist, verriet der Trainer Hansi Flick. „Nur wenn wir alles gegeben haben, fühlt sich ein Sieg wirklich gut an“, sagte er dem Magazin „11 Freunde“. Und weiter: „Es geht bei uns um die Art und Weise. Überzeugend zu spielen und zu gewinnen, bewahrt das Urvertrauen in deine Stärke. Deshalb muss jeder Gegner unseren Willen und unsere Mentalität spüren.“

Die Taktik

Wieder sagt Thomas Müller einen einfachen Satz: „Wie wir zusammen agiert haben, da geht mir das Herz auf.“ Der Offensivmann und seine Kollegen überrollten Barca, bereits am Strafraum attackierten sie den überforderten Gegner. Wie in den vergangenen Wochen in Bundesliga und DFB-Pokal rückten die Bayern ständig auf und jagten ihre Kontrahenten – das riskante System ist inzwischen so austariert, dass es die Münchner auch in den großen internationalen Spielen gegen große Gegner anwenden.

Das Selbstvertrauen

Schon vor dem 8:2 gegen Barca war die Münchner Brust breit, nach dem Siegeszug in der Bundesliga-Rückrunde kamen die Bayern mit Rückenwind nach Lissabon – jetzt ist der Glaube an die eigene Stärke nochmals gewachsen. Die Mannschaft tritt als gefestigte und gewachsene Einheit auf. Egal, wie der Gegner heißt.

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Die Mischung

Hungrig sind sie alle, die Profis des FC Bayern – und doch gibt es verschiedene Typen in diesem Team, die zu einem funktionierenden Ganzen werden. Da sind die Weltmeister von 2014 wie Thomas Müller oder Jerome Boateng, die der Fußballwelt im Allgemeinen und dem Bundestrainer im Speziellen beweisen wollen, wie gut sie noch immer sind. Da sind mit Manuel Neuer und David Alaba zwei Führungsfiguren auf dem Höhepunkt ihres Könnens. Da ist auch der Toptorjäger Robert Lewandowski, der sich im Gegensatz zu früheren Zeiten zu einem Teamplayer entwickelt hat. Und da ist dieser 1995er-Jahrgang mit Joshua Kimmich, Niklas Süle, Leon Goretzka und Serge Gnabry, der sowohl bei den Bayern als auch in der DFB-Elf schwer im Kommen ist. Die Münchner Mischung im Kader ist ein Erfolgsfaktor.

Das Tempo

Neuzugang Leroy Sané darf noch nicht mitspielen, und doch drückt der FC Bayern auf den offensiven Außen aufs Gas. Serge Gnabry, Kingsley Coman und auch Ivan Perisic stehen für Tempoläufe und Torgefahr, und wenn von links hinten noch der pfeilschnelle Senkrechtstarter Alphonso Davies nachrückt, dann ist das Chaos in den generischen Abwehrreihen auf Außen programmiert. Die Bayern setzen ihre Tradition der Flügelzangen in bester Robben-Ribéry-Manier fort. Und wollen so auch Lyon überrollen.

Die Bank

Niklas Süle, Philippe Coutinho und Kingsley Coman, das waren drei der fünf Einwechselspieler des FC Bayern gegen Barcelona. Frischer Wind war ja gar nicht nötig gegen Barca, das Trio brachte ihn trotzdem. „Am schönsten ist, wenn man sieht, dass die Spieler, die reinkommen, den gleichen Impact haben, die gleiche Freude, die gleiche Arbeitseinstellung“, sagte Thomas Müller. Fakt ist: Trainer Flick hat aufgrund der Kaderstärke und den geringen Verletzungssorgen die Gewissheit, immer nachlegen zu können von der Bank – was noch wichtiger werden könnte als zuletzt gegen Barca.

Der Trainer

Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ist längst zum Hansi-Flick-Fan geworden: „Unter ihm spielen wir einen spektakulären Fußball – und er hat eine empathische Beziehung zum Team“, sagte er. Viele Bayern-Profis bezeichnen ihren Coach als „Menschenfänger“. Flick selbst beschreibt seinen Führungsstil so: „Ich versuche jeden Spieler mit Respekt zu behandeln, so wie ich selbst gerne behandelt werden möchte. Da geht es um Wertschätzung und Kommunikation – das ist die Grundlage für Erfolg.“

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Die Demut

Es schadet wahrscheinlich eher weniger, dass einige Bayern-Profis und ihr Trainer – als damaliger Assistent des Bundestrainers Joachim Löw – so etwas Ähnliches schon mal erlebt haben. Das 7:1 vor sechs Jahren im WM-Halbfinale gegen Brasilien war ähnlich epochal wie nun das Münchner 8:2 gegen Barca. Und auch die Demut der Sieger hinterher ähnelt sich nun: Wir haben noch nichts erreicht, der Sieg ist nichts wert, wenn wir jetzt nicht nachlegen, das war der Tenor vor dem WM-Finale 2014 gegen Argentinien, und das ist jetzt der Bayern-Tenor vor dem Halbfinale gegen Lyon. Auch Clubchef Rummenigge erkannte keine Anzeichen von Abgehobenheit. „Ich war nach dem Spiel gegen Barca in der Kabine“, sagte er: „Da war keine Party, da ist keiner ausgeflippt. Die Mannschaft wird total seriös das Halbfinale angehen.“