Cornelius Schock und Gospel im Osten mit „Songs for Messiah“ Foto: /Parsyak

Gospel im Osten hat die Musik von Händels Oratorium „Messias“ zeitgemäß neu interpretiert und jetzt auf der CD „Songs from Messiah“ veröffentlicht

Stuttgart - Es ist eine große Herausforderung für jeden Chor, Sätze wie „Who is the king of glory“ möglichst präzise wiederzugeben. Das ist im klassischen Kontext schon sehr schwierig, eine ganz andere Liga ist das, wenn dies im Rahmen einer Pop-Version umgesetzt werden soll. Auch wenn die Klassik-Fans jetzt darüber etwas empört sein werden: Eine tanzbare Pop-Soul-Mischung benötigt eine andere Akzentuierung, und vor allem viel mehr rhythmischen Biss. Und das ist schon eine ganz besondere Kunst, wenn weit mehr als 100 Sängerinnen und Sänger die Phrase „Who is the king of glory“ gewissermaßen auf die Hundertstelsekunde genau rüberbringen sollen.

Quincy Jones gab die Vorlage

Gospel im Osten hat sich dieser Herausforderung gestellt. Und wie gut dies funktioniert, kann nun auch jeder auf einer Live-CD mit dem Titel „Songs from Messiah“ nachhören. Die Idee war, dem Oratorium „Messias“ von Georg Friedrich Händel, uraufgeführt vor etwa 270 Jahren, ein aktuelles klangliches Gewand zu geben. Freilich, ohne die Vorlage vorzuführen. Vor allem das Arrangement und die Instrumente künden eben von heute, und die Rhythmen. Komplett durchgespielt ist die Vorlage nicht, aber eine gute Stunde Aufführungsdauer kommt zusammen. Der Gospel-im-Osten-Leiter Thomas Dillenhöfer und sein musikalischer Mitstreiter Cornelius Schock haben sich da von dem Projekt „Händels Messiah – A soulful celebration“ des amerikanischen Musikproduzenten Quincy Jones inspirieren lassen. Der produzierte die Welthits von Superstars wie Michael Jackson oder Stevie Wonder und hatte einige Stars für jenes Projekt verpflichtet. Aus dieser Liga ist nun leider niemand in den Stuttgarter Osten gekommen. Dafür haben Dillenhöfer und Schock selbst mit den „Songs from Messiah“ eine Fassung entwickelt, die für Gospel im Osten eine Herausforderung ist und zugleich das Optimale aus diesem großen Chor herausholt: Dillenhöfer als langjähriger Chorleiter und Schock als freischaffender Musiker, der mit dem Chor ebenso eng verbunden ist.

Musik zum Tanzen

Geboten wird da natürlich das bekannte Händel-Hallelujah, aber auch viele andere Preziosen wie „Behold the lamb“ oder „Ev’ry Valley“. Und mancher wird sich wundern, wie heutig Arien wie „Purify“ oder „Go On Up“ im neuen Gewand klingen – fit for the dancefloor, pflegen junge Leute da zu sagen. Schock hat da das Passendste herausgeholt, was die Trickkiste der Sounds eben so bietet, auch Bewährtes. Wer will, findet da beispielsweise auch ein paar Takte aus „Stairway to heaven“ von Led Zeppelin. Oder das eingangs erwähnte Klangbeispiel in „Lift up your heads“. Und dann gibt es noch die ganz erstaunlichen Solostimmen direkt aus dem Chor heraus.

„Das war schon ein gewaltiger Kraftakt, um das hinzubekommen“, erinnert sich Schock, „wir hatten da ja nur elf bis zwölf Proben und ein Kompakt-Wochenende“. Denn für 400 bis 500 Teilnehmer – und das ist bei Gospel im Osten nun mal die Besetzungsgröße – müssen erst mal gemeinsame Termine gefunden werden. Schock: „Für solche Projekte hat man eigentlich zwei bis drei Monate mehr Zeit zum Einstudieren.“ Und dann gab es noch drei Live-Auftritte, die für die CD mitgeschnitten wurden. Die Zahlen zeigen es: Das war alles noch vor Corona Ende November 2019.

Der gute Klang für Zuhause

Und zum guten Klang auf der heimischen Musikanlage gehört schließlich noch eine entsprechende Bearbeitung: Die Balance zwischen Band und Chor wurde noch fein abgestimmt, unnötige Begleitgeräusche wurden möglichst ausgemerzt. So musste etwa auch berücksichtigt werden, dass verschiedene Aufführungsorte verschiedene akustische Bedingungen haben, während die CD-Aufnahme doch möglichst wie aus einem Guss klingen soll.

4000 Exemplare von „Songs from Messiah“ wurden mal gepresst, viele davon dürften innerhalb des Chores schon weggehen. Denn wann wird es derart Vergleichbares wiedergeben? „Mit diesem Projekt haben wir Neuland betreten“, erklärt Schock, „und es ist nicht absehbar, ob und wann sich derartiges noch mal machen lässt“. In den jetzigen Coronazeiten ist das eh eine müßige Frage, da ja jetzt nicht mal mehr Proben möglich sind. Aber auch sonst wäre das eine herausragende Frage: Gelingt es nochmals, all diese Kräfte so optimal zu bündeln? Dillenhöfer und Schock gehen da erst mal andere Wege. Schock: „Wir haben da jetzt viele Erfahrungen gesammelt. Die lassen sich ja auf ähnliche Projekte in anderen Bereichen umsetzen, etwa bei schulischen Vorhaben dieser Art.“ Dazu gibt es schon Gespräche mit dem Carus-Verlag auf den Fildern, der führend ist, wenn es um Noten im Chorbereich geht. Der ist grundsätzlich sehr interessiert an Projekten, die über den klassischen Kontext hinausgehen, die auch didaktisch neue Wege suchen.