Die Cannstatter Kurve ist normalerweise bei jedem Heimspiel des VfB Stuttgart ausverkauft. Foto: Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Unter den Geisterspielen beim VfB Stuttgart leiden nicht nur die Fans. Wir haben mit einigen Protagonisten gesprochen, die vor der Corona-Krise bei jedem Heimspiel vor Ort waren.

Stuttgart - Seit fast einem Jahr finden beim VfB Stuttgart Geisterspiele statt – mit erheblichen Auswirkungen auch auf den Betrieb rund um die VfB-Arena. Klar ist auch: Unter den Geisterspielen leiden viele – nicht nur die Fans. Wir haben mit Menschen aus den Bereichen Catering, Ordnungsdienst und Volunteers gesprochen.

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Catering: Verköstigt werden nur die Profis

Anastasia Gigi-Müller hat es vergleichsweise gut erwischt. Die 62-Jährige ist eine von rund 800 Servicekräften aus dem Cateringbereich von Aramark, die vor der Pandemie an Heimspieltagen im Einsatz waren. Würstchen braten, Bier zapfen, Tabletts durch den VIP-Bereich jonglieren. Die meisten von ihnen geringfügig Beschäftigte, Minijobber, Studenten, die sich mit dem Fußball das Gehalt aufbessern und bei denen nun unter Nebeneinkünfte die Null steht.

Gigi-Müller fällt als Angestellte des VfB-Caterers Aramark dank Kurzarbeit nicht so tief. Sie kann weiter zu den Spielen, da sie zum Kreis derer gehört, die noch im VIP-Bereich gebraucht werden: für die Verköstigung der Spieler. „Es ist nicht viel, was wir zu tun haben, aber immerhin ein bisschen was“, sagt die Frau aus Weil im Schönbuch. Wo normalerweise bis zu 4000 Gäste verköstigt werden, geht es in der riesigen Arena jetzt eher seelenlos zu, bedauert die Serviceleiterin. Wobei das mit dem Spielercatering durchaus spannend sein kann. Ansonsten legt VfB-Fan Gigi-Müller Wert darauf, den Kontakt zu ihren Mitarbeitern zu halten. „Wir fiebern alle dem Tag entgegen, wenn es endlich wieder rundgeht.“

Ordnungsdienst: Regale auffüllen statt Stadion

Von 780 auf 60 lautet die Rechnung der Firma SDS, die rund um die VfB-Heimspiele für den Ordnungsdienst zuständig ist. 60 Ordner müssen aktuell reichen, ein Bruchteil des früheren Personals. Mit beträchtlichen Folgen – für das Unternehmen wie für die Mitarbeiter. „Uns fehlen pro Monat 500 000 bis 600 000 Euro Umsatz“, klagt Geschäftsführer Ralf Schindler, der bei VfB-Spielen normalerweise die Einsätze koordiniert. In den Umsatzausfall eingerechnet sind sämtliche Veranstaltungen, die der Coronakrise zum Opfer gefallen sind.

Mit zwei Millionen Euro Jahresumsatz zählt der VfB zu den größten Kunden. Die meisten freiberuflichen Mitarbeiter des Ordnungsdienstes, laut Schindler „vom Arbeitslosen bis zum Professor“, sind auf 450-Euro-Basis angestellt. Einige haben aus der Not heraus das Weite gesucht und füllen stattdessen im Discounter Regale auf. Verständlich, aus Sicht des 55-Jährigen. „Die Leute brauchen das Geld.“ Auch das Unternehmen selbst steckt in schweren Nöten – wie die gesamte Branche. „Wir leben vom Ersparten“, klagt Schindler, der bisher vergeblich auf staatliche Unterstützung gewartet hat. „Wir sind durch jedes Raster gefallen.“

Volunteer: Sehnsucht nach Stimmung

Daniela Schmid hat das letzte reguläre VfB-Spiel mit Zuschauern gegen Arminia Bielefeld noch miterlebt. Die Antwort auf die Frage nach dem, was fehlt, kommt so scharf wie eine Flanke von Borna Sosa. „Die Stimmung, die Leute, das Event, der Ausgleich vom Alltag.“ Bevor das Virus die Welt terrorisierte, war die Stuttgarterin eine von 80 Volunteers, also Freiwilligen, die im Stadion einfachen, aber notwendigen Tätigkeiten nachgehen.

Den Leuten den Platz weisen, Journalisten die Aufstellung verteilen, die Mittelkreisplane aufs Feld tragen oder umgefallene Werbebanden wieder aufstellen. Ein Spaßjob für die 29-jährige Kauffrau, schließlich gibt’s den Haupttribünensitzplatz, was zu essen und trinken sowie Einblicke in die Welt der Profis obendrauf. „Im Lauf der Zeit haben die Heimspiele meinen Terminkalender bestimmt. Schließlich besteht zu den anderen Helfern auch eine Verbundenheit“, erzählt Daniela Schmid. Seit vergangenem März war der Fußballfan nun nicht mehr im Stadion. Ohne Brimborium braucht es schließlich auch keine Helferlein. Was bleibt, ist der Fernseher und das sehnsuchtsvolle Gefühl nach Stimmung, Spaß und Spiel.