Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Stimmabgabe in Laiz bei Sigmaringen. Foto: dpa/Felix Kästle

In Baden-Württemberg haben sich die Hoffnungen der Grünen bei der Bundestagswahl nicht erfüllt. Die CDU muss historische Einbußen hinnehmen. Bei der SPD herrscht Jubelstimmung.

Stuttgart - Es war, als würde die Luft aus einem Luftballon entweichen: „Pffffft“ machte es im Garten der baden-württembergischen Landesvertretung am Berliner Tiergarten. Wahlsonntag, 18 Uhr. Die Prognose der Demoskopen von Infratest dimap sieht CDU und SPD im Bund gleichauf. Und jetzt? Ratlosigkeit macht sich breit, die etwa 200 Gäste an den Stehtischen reagieren verhalten. Nur als klar wird, dass Rot-Grün-Rot eine Fata Morgana bleibt, brandet in einer Ecke Beifall auf.

Auch die versammelte Parteiprominenz bleibt in Deckung. Nur so viel trauen sich Manuel Hagel und Andreas Stoch, die beiden Fraktionschefs von CDU und SPD im Landtag zu sagen: „Weiter mit der großen Koalition“ wird es nicht geben. Meinungsfreudiger zeigen sich die Industrievertreter. Gesamtmetallchef Stefan Wolf wünscht sich eine Jamaikakoalition, der IG-Metall-Chef Roman Zitzelsberger findet, dass Olaf Scholz ein guter Kanzler wäre. Im Garten gehen die Diskussionen weiter, alle wissen: Der Abend wird noch lang.

Im Südwesten gibt es zwei klare Gewinner

In Baden-Württemberg gibt es zwei klare Gewinner aus der Bundestagswahl: die SPD und die FDP. Beide Parteien können ihr Ergebnis gegenüber der Wahl von 2017 deutlich steigern. Die CDU muss schwere Verluste hinnehmen, und die Grünen gewinnen zwar im Vergleich zur Bundestagswahl von vor vier Jahren hinzu, aber lange nicht so viel, wie sie erhofft haben. Von ihren 32,6 Prozent aus der Landtagswahl im Frühjahr sind sie bei der Bundestagswahl meilenweit entfernt. Sie liegen deutlich über dem Bundesergebnis, das war der Anspruch. Der Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand hätte die baden-württembergischen Grünen gerne im Zwanzigerbereich gesehen, das bleibt ein Wunschtraum.

Auch die Landes-CDU dürfte am Ende ein paar Prozentpünktchen über dem Bundesergebnis der Union liegen. Man habe geliefert, heißt es aus dem CDU-Landesverband wie von den Landesgrünen. Die schlimmsten Befürchtungen der CDU werden wohl nicht eintreten, hieß es am Abend aus Parteikreisen. Es gab Phasen im Wahlkampf, da drohte, dass die CDU, die zweimal hintereinander alle 38 Wahlkreise im Land direkt gewonnen hatte, nur noch in zehn Wahlkreisen die Hoheit behaupten könnte. „Das hätte zusätzlich aufs Gemüt geschlagen“, raunten Parteiinsider. Am Abend machte man sich wieder Hoffnung auf etwa 30 Direktmandate.

Grüne und CDU sind alles andere als zufrieden

Zufrieden sind Grüne wie CDU nicht, und der SPD-Generalsekretär Sascha Binder streut zusätzliches Salz in die Wunden. „Das ist für Grüne und CDU nicht der Abend, den sie noch vor sechs Wochen erhofft haben. Grün-Schwarz aus Baden-Württemberg ist kein Trendsetter“, kommentiert Binder. Er fragt sich, was das Land in Berlin in Zukunft noch zu sagen haben wird. Kretschmann, meint er, habe doch wegen des Einflusses im Bund auf die CDU gesetzt.

Dass sie an Einfluss im Bund verloren haben könnten, lassen Grüne wie CDU nicht gelten. Die Landesverbände wollen mitreden, wenn es in die Gespräche zu Regierungsbildungen geht. Dabei lassen die Grünen durchblicken, dass der den ersten Zugriff habe, der bei den Stimmen die Nase vorn hat. Die CDU zeigt Sympathien für eine Jamaikakoaliton mit Grünen und der FDP.

SPD-Landeschef Andreas Stoch hat Grund zur Freude

Einen schönen Wahlabend hatte SPD-Landeschef Andreas Stoch. Er sagte unserer Zeitung nach den ersten Hochrechnungen am Abend: „Wir sind in Baden-Württemberg nach den aktuellen Zahlen deutlich vor den Grünen – das ist auch ein Signal. Deswegen sind wir mit dem Wahlergebnis – wenn es sich so bewahrheitet, wie es sich im Moment abzeichnet – sehr zufrieden.“ Das Ergebnis bedeute eine Stärkung für die SPD. „Es bedeutet auch, dass wir den Anspruch haben, in Baden-Württemberg wieder eine größere Rolle zu spielen“, so Stoch.

Der FDP-Landeschef Michael Theurer freute sich über das zweistellige Ergebnis seiner Partei: „Dies ist ein historischer Erfolg. In Baden-Württemberg haben wir unseren Status als Stammland der Liberalen eindruckvoll unterstrichen.“ Theurer, der gleichzeitig Spitzenkandidat der Südwest-FDP war, betonte, die Landes-FDP habe „erneut einen wesentlichen Beitrag zum Gesamterfolg geleistet“.