Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (links) sah sich mit Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, die Folgen der jüngsten russischen Angriffe in der Hauptstadt an. Foto: dpa/Michael Kappeler

Das deutsche Staatsoberhaupt Steinmeier hat der Ukraine bei einem Besuch Hilfe zugesichert. Reisen in das mit Krieg überzogene Land sind gefährlich, musste er erleben, und Luftalarm zwingt auch einen Präsidenten in den Bunker.

Beim Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Kiew hat der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj für deutsche Hilfe gedankt, aber auch um mehr Luftabwehrwaffen gebeten. Die deutsche Hilfe sei „groß und historisch wichtig“, sagte Selenskyj nach einem Gespräch am Dienstag. Er erwähnte besonders die Lieferung des ersten Flugabwehrsystems Iris-T aus Deutschland. Er hoffe, dass davon weitere Systeme kommen. Dies habe für sein Land „wirklich Priorität“. Deutschland hat insgesamt vier Iris-T zugesagt.

Selenskyj würdigte auch die Bereitschaft Deutschlands, das Energiesystem der Ukraine zu stärken. Große Teile der Strom- und Fernwärme-Netze sind durch russische Raketenangriffe beschädigt worden. Um ukrainische Kommunen durch den bevorstehenden Winter zu helfen, riefen die Präsidenten zur raschen Gründung deutsch-ukrainischer Städtepartnerschaften auf. Ein diplomatische Zerwürfnis zwischen den Präsidenten vom Frühjahr wurde mit keinem Wort mehr erwähnt.

„Wir sind auf eurer Seite. Wir unterstützen euch.“

Steinmeier betonte, er habe gerade jetzt angesichts der „niederträchtigen Angriffe“ Russlands nach Kiew kommen wollen. Er sicherte den Ukrainerinnen und Ukrainern zu: „Wir sind auf eurer Seite. Wir unterstützen euch. Wir werden euch weiter unterstützen.“ Dies gelte wirtschaftlich, politisch und militärisch so lange, wie es notwendig sei. Zu Selenskyj sagte Steinmeier: „Sie führen Ihr Land in beeindruckender Weise durch diese historische Zeit.“

Das hochmoderne Luftabwehrsystem Iris-T hat sich nach ukrainischen Angaben schon bei den ersten Einsätzen bewährt. Steinmeier hob die militärische Unterstützung für die Ukraine hervor. Deutschland sei heute ein führender Ausrüster für die ukrainische Luftverteidigung. Auch die nächsten Mehrfachraketenwerfer Mars-II und Panzerhaubitzen sollten demnächst an die Ukraine übergeben werden.

Steinmeier kam ohne öffentliche Ankündigung

Der Bundespräsident kam wie andere internationale Gäste ohne öffentliche Ankündigung nachts mit dem Zug nach Kiew. Bei einem Termin außerhalb der Hauptstadt erlebte er das gleiche wie Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer: Weil in Korjukiwka nahe der Grenze zu Belarus Luftalarm ausgelöst wurde, musste er einen Bunker aufsuchen. Dort hörte er sich von Bürgermeister Ratan Achmedow und Einwohnern der Kleinstadt an, was sie in acht Monaten Krieg durchleiden mussten.

„Das hat uns besonders eindrücklich nahe gebracht, unter welchen Bedingungen die Menschen hier leben“, sagte der Bundespräsident. Der Luftalarm sei eine Situation gewesen, die man bei dem Besuch nicht habe ausschließen können. Die Menschen dort müssten mit so etwas jeden Tag leben.

Bereits der dritte Anlauf Steinmeiers

Steinmeier und Selenskyj sagten, sie wollten die Schirmherrschaft über ein bilaterales Städtepartnerschaftswerk übernehmen. „Kommunale Partnerschaften bieten eine Grundlage für gelebte Solidarität im Angesicht des Krieges; sie legen das Fundament für eine gemeinsame Zukunft“, hieß es in einer Mitteilung. „Sie senden ein klares Signal an Moskau: Euer Krieg wird uns nicht spalten - er wird uns noch näher zusammenbringen, als Deutsche, Ukrainer und als Europäer.“

Es war bereits der dritte Anlauf Steinmeiers für eine Reise in die Ukraine. In der vergangenen Woche war sie aus Sicherheitsgründen kurzfristig verschoben worden. Mitte April hatte er eine gemeinsame Reise mit den Staatspräsidenten aus Polen, Lettland, Litauen und Estland in letzter Minute absagen müssen. Kiew signalisierte damals Steinmeier, dass er nicht willkommen sei.

Dem früheren SPD-Außenminister wurde in der Ukraine seine russlandfreundliche Politik angekreidet. Er habe osteuropäische Warnungen vor einer Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen überhört. Die Ausladung wurde in Berlin als Affront gewertet. Erst ein Telefongespräch der Präsidenten Anfang Mai entspannte die Lage wieder.