Biden und Scholz im Juni 2022 auf Schloss Elmau Foto: AFP/Benoit Tessier

Offiziell lobt die US-Regierung das deutsche Engagement in der Ukraine. Doch viele Amerikaner verstehen das Zögern bei den Panzerlieferungen nicht. Nun reist der Kanzler nach Washington, um sich unter vier Augen mit Präsident Joe Biden zu beraten.

Der US-Präsident hatte in der polnischen Hauptstadt Warschau gerade seine Rede zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine begonnen, als Richard Grenell zum Handy griff. „Deutschland tut nicht genug, um der Ukraine zu helfen, und Joe Biden äußert nicht ein einziges Wort der Kritik“, wetterte der ehemalige US-Botschafter in Berlin.

Das Deutschland-Bashing gehört für Donald Trumps pöbelnden Möchtegern-Außenminister zum penetranten Eigenmarketing. Doch auch seriöse Gesprächspartner in Washington kommentieren die Rolle der Bundesregierung derzeit eher verhalten. „Deutschland hat sich wirklich gesteigert“, lobte John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsberaters, zwar Anfang der Woche. Kurz zuvor aber hatte sein Chef Jake Sullivan in einem Interview schonungslos offen geschildert, wie sehr sich Berlin bei der Entscheidung über die Leopard-Panzer gewunden habe.

Objektiv sind Deutschland und Großbritannien nach den USA die zweitwichtigsten Unterstützer der Ukraine. Aber: „Es gibt kein anderes Land in der Koalition, bei dem eine so große Lücke zwischen den tatsächlichen Beiträgen und seinem Ruf in diesem Krieg klafft wie bei Deutschland“, sagt Liana Fix von der Washingtoner Denkfabrik Council on Foreign Relations dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Scholz’ Besuch ist extrem kurz

Das habe mit den Nachwirkungen der Trump-Agitation, aber auch mit den langwierigen Entscheidungsstrukturen in Berlin und einer teilweise irritierenden Kommunikation zu tun. Es sei wichtig, „Zweifel ausräumen und klarzumachen, dass das zögerliche Vorgehen im letzten Jahr nicht bedeutet, dass Deutschland ein schlechter oder schwacher Alliierter ist“, fordert Fix.

Entschlossenheit und transatlantische Geschlossenheit zu demonstrieren – das dürfte ein wichtiges Ziel des bevorstehenden Besuches von Olaf Scholz (SPD) in Washington sein. Gerade mal für eine Nacht und einen Tag fliegt der Kanzler in die US-Hauptstadt. Das Programm wirkt extrem schlank. Ein auf knapp zwei Stunden angesetztes Gespräch mit Präsident Biden am Freitagmittag im Weißen Haus soll im Zentrum stehen. Der persönliche Austausch mit dem Anführer des Westens, so heißt es in Berliner Regierungskreisen, sei dem Kanzler ein besonderes Anliegen. „Auch wenn das Protokoll und das Drumherum ein bisschen bescheidener ausfällt, ist das ein sehr wichtiger Moment für die USA und Deutschland, ihre Positionen und Herangehensweise in der Ukraine abzustimmen“, urteilt Jeff Rathke, Präsident des American Institute for Contemporary German Studies (AICGS).

Dass Biden und Scholz unter vier Augen sprechen wollen, wie in Berlin zu hören ist, unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Begegnung. Doch sie wird von einem Misston überlagert. Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte in einem Fernsehinterview detailliert geschildert, wie es zur Entscheidung über die Lieferung deutscher und amerikanischer Panzer in die Ukraine kam. Eigentlich habe Biden die Abrams-Panzer nicht bereitstellen wollen, da sie „nicht das Gerät sind, dass die Ukrainer brauchen“. Scholz habe aber erklärt, dass er die dringend benötigten Leopard-Panzer nicht im Alleingang liefern werde. Also habe Biden entschieden: „Okay, ich bin der Anführer der freien Welt. Ich schicke in Zukunft die Abrams, und ihr schickt jetzt die Leopard.“

In der Substanz kann seine Darstellung kaum überraschen. Wirbel verursachte die Äußerung trotzdem, weil sie kurz vor dem Besuch des Bundeskanzlers fiel und in ihrer undiplomatisch offenen Schilderung der offiziellen deutschen Darstellung widerspricht, es habe kein Junktim gegeben. Liana Fix glaubt nicht an einen Zufall. Offenkundig wolle die US-Regierung klarmachen, dass „nicht alles ideal gelaufen ist in den letzten Wochen“. Washington hätte sich eine deutsche Führungsrolle in der Panzer-Frage gewünscht, das Zögern des Kanzlers sei nicht vergessen: „Das wird zum Teil auch das Gespräch prägen.“

Jeff Rathke, der früher als Diplomat gearbeitet hat, sieht die Sache pragmatischer. „Es sollte niemand überraschen, dass zwei Bündnispartner, die beide eine sehr große Rolle bei der Unterstützung der Ukraine spielen, manchmal Zeit brauchen, um ihre Positionen zu koordinieren.“ Entscheidend sei, dass man zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen sei. Rathke weist darauf hin, dass Sullivan ausdrücklich gefragt worden sei, weshalb die Abrams-Panzer nicht schneller geliefert würden. Darin schwinge eine inneramerikanische Kritik mit. „Ich bin mir nicht sicher, dass das Interview als Botschaft an die deutsche Regierung gedacht war“, so Rathke.

Auch Biden steht unter Druck

Tatsächlich wird oft übersehen, dass auch Biden innenpolitisch wegen des Ukraine-Krieges unter Druck seht. Der Anteil der US-Bürger, die die Militärhilfen unterstützen, ist laut Umfragen binnen eines Jahres auf rund 50 Prozent gefallen. Während die Falken bei den Republikanern die angebliche Zögerlichkeit des Präsidenten anprangern und die Lieferung von Kampfjets fordern, lehnt der immer mächtigere Trump-Flügel der Republikaner die Hilfen für die Ukraine komplett ab, und Trump selber warnt vor einem „dritten Weltkrieg“.

Nach seinem Gespräch im Weißen Haus hat Olaf Scholz die Gelegenheit, die deutsche Position zu erläutern. Allerdings wird er das wohl nicht vor deutschen Medien tun. Eine Pressekonferenz steht nicht auf dem Programm. Stattdessen will der Kanzler dem Sender CNN ein exklusives Interview geben, das erst am Sonntag ausgestrahlt wird. Diese selektive Öffentlichkeitsarbeit ist zumindest ungewöhnlich. Doch Rathke kann der Planung einen positiven Aspekt abgewinnen: „Ich finde gut, dass Scholz mit einem US-Sender spricht. Auf Englisch redet er ganz anders als auf Deutsch. Dann ist er direkter und ein bisschen offener.“ Das, findet Rathke, könne auf keinen Fall schaden.