Sie gehören zum historischen Stadtbild: Fachwerkhäuser. Zwei davon sind frisch saniert und preisgekrönt. Foto: Simon Granville

Die Bietigheimer Wohnbau wurde für die Sanierung zweier Fachwerkhäuser ausgezeichnet. Was passiert, wenn man ein knapp 500 Jahre altes Haus neu denkt? Ein Eindruck in Bildern.

Die Bietigheimer Altstadt ohne ihre charakteristischen Fachwerkhäuser: unvorstellbar. Doch ihre Sanierung ist aufwendig sowie kostspielig – und nach 30 bis 40 Jahren geht das Spiel von vorne los. Dennoch: Seit Mitte der 70er Jahre gibt es eine Rückbesinnung auf Fachwerk. Für die Sanierung des Gebäudekomplexes Schieringer Straße 16 und 18, das „Kachelsche Haus“, hat die Stadt von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fachwerkstädte nun einen Anerkennungspreis bekommen. Bietigheim-Bissingen ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft und Teil der Deutschen Fachwerkstraße.

Früher ein Notariat, jetzt die Beherbergung der städtischen IT-Mitarbeiter, ganz früher ein herrschaftliches Wohnhaus: Bei einem Rundgang zeigt sich die Geschichte des 1536/37 erbauten Gebäudes. „Die Herausforderung war, in so ein Haus eine moderne Nutzung reinzubringen“, sagt Achim Wilhelm von der Bietigheimer Wohnbau. Der Projektleiter für Denkmalobjekte liefert Beispiele: Brandschutztüren, Funkschalter, die sich durch mehrmaliges Betätigen aufladen, weil keine Kabel verlegt werden können, eine Brandschutzverglasung, weil der Abstand zum nächsten Gebäude so klein ist. Die Wohnung im obersten Stockwerk muss zudem unbewohnt bleiben, weil ein zweiter Rettungsweg von dort nach unten fehlt.

Fachwerk-Sanierung: Fehler der Vergangenheit beheben

In den 1980er Jahren sanierte die Stadt Bietigheim-Bissingen das Gebäude. 2022 bis 2024 hat die Bietigheimer Wohnbau dann die Fehler behoben, die in der Vergangenheit gemacht wurden. „Damals hat man versucht, das Wasser auszusperren, aber das Holz arbeitet, das lebt“, sagt die Leiterin des städtischen Presseamts Anette Hochmuth. Deshalb sei es die Hauptaufgabe gewesen, das Fachwerk außen – und gerade die Wetterseite – instand zu setzen.

Achim Wilhelm von der Wohnbau Ludwigsburg (links) und Restaurator Holger Krusch vor einem Wandgemälde Foto: Simon Granville

Im Inneren habe man vor den Arbeiten jeden Raum begutachtet – „auch dass nicht genau da Kabel verlegt werden, wo historische Malereien aus der Renaissance sind“, erklärt Restaurator Holger Krusch. Dadurch dauere eine Sanierung deutlich länger als ein Neubau. Ende Februar 2024 waren die Arbeiten nach 18 Monaten Bauzeit abgeschlossen.

Dass die städtische Wohnbau Bietigheim das „Kachelsche Haus“ sanieren konnte, liegt sicherlich auch an der guten wirtschaftlichen Lage der Stadt. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten geht es Bietigheim-Bissingen finanziell gesehen gut, sie ist seit 20 Jahren schuldenfrei. „Kommunen mit weniger Finanzkraft denken über so eine Sanierung anders nach“, sagt Holger Krusch. Häufig versinke so ein Gebäude dann im Dornröschenschlaf und irgendwann, wenn es zu heruntergekommen sei, werde die Gretchenfrage gestellt.

Auch in Bietigheim-Bissingen gibt es ein Beispiel für ein Fachwerkhaus, welches voraussichtlich nicht aufwendig saniert wird – auch wenn es auf den ersten Blick nicht wie ein Fachwerk aussieht. Was das „Große Haus“ im Stadtteil Untermberg, 1562 erbaut, angeht, prüft die Stadt derzeit einen möglichen Abriss.

Der Kugelkäfer wütet darin, das Dach hängt durch. „Das Haus war einmal ortsbildprägend, ist aber vernünftig kaum mehr zu sanieren“, sagt Hochmuth. In Bietigheim-Bissingen hängen die Menschen am Fachwerk. „Wenn wir was abreißen würden in der Stadt, würde das einen Aufschrei geben“, sagt Hochmuth. Tatsächlich gebe es aber kaum ein Gebäude, das in den letzten 50 Jahren nicht angegangen wurde. Als nächstes steht die Fassade des Rathauses an.

Das „Große Haus“ steht am Fuße des Bergs zur Burgruine Altsachsenheim – rechts eine alte Postkarte aus dem Jahr 1912. Foto: Werner Kuhnle/ Stadtarchiv Bietigheim-Bissingen

Deutscher Fachwerkpreis

Bewerber
Der Deutsche Fachwerkpreis wird seit 2000 regelmäßig alle fünf Jahre von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fachwerkstädte verliehen. 19 Städte bewarben sich mit ihren Projekten, 15 wurden in diesem Jahr ausgezeichnet, davon viele aus dem Kreis der Kommunen und sogenannten „Öffentlichen Hand“ wie kirchliche und ähnliche Institutionen.

Vergabe
Die Jury aus Vertretern von Denkmalpflege und der Arbeitsgemeinschaft verlieh vier Auszeichnungen und drei Preise an die sogenannte „Öffentliche Hand“, sowie vier Anerkennungen und sechs Preise an die Gruppe der „Privaten Eigentümer“.