US-Firmen haben sich auch mit den Protestierenden gegen Polizeigewalt verbündet. Foto: dpa/Henry Pan

Große US-Firmen sprechen sich inzwischen so klar wie nie für die Bürgerrechte im Land aus – und riskieren in dem polarisierten Land bewusst den Konflikt mit den Republikanern.

Stuttgart - Big Business hat in den USA lange als getreuer Verbündeter der Republikaner und konservativer Werte gegolten. Diese Gleichung stimmt in den USA schon seit Jahren nicht mehr trotz Donald Trumps äußerst unternehmensfreundlicher Steuerpolitik. Dahinter stecken strategische Entscheidungen etwa im Bereich der Klimapolitik, wo die meisten US-Wirtschaftszweige, die Autoindustrie inbegriffen, sich langfristig für das Thema wappnen wollen – unabhängig von der in den USA auf konservativer Seite immer noch von Leugnern des Klimawandels dominierten Tagespolitik.

US-Konzerne wagen sich auf ein politisches Minenfeld

Doch die jüngste Profilierung der US-Wirtschaft ist deutlich riskanter. Immer nachdrücklicher schlagen sich große Unternehmen auf die Seite von Bürgerrechten, Diversität und der Verteidigung des Wahlrechts. Vergleichsweise einfach waren hier noch die rasch aus fast allen Führungsetagen der US-Wirtschaft kommenden Beifalls-Tweets, als vor einigen Tagen der weiße Polizist Derek Chauvin wegen des Todes des Afroamerikaners George Floyd von einer Jury für schuldig befunden wurde. Die grausamen Bilder vom Sterben des Mannes unter den Knien des Polizisten hatten die Nation erschüttert.

Gleich 700 US-Firmen haben sich in einem gemeinsamen Schreiben gegen von Republikanern in Georgia geplante, neue Wahlhürden ausgesprochen. Diese würden vor allem für Bevölkerungsgruppen, die mit den Demokraten sympathisieren wie die Afroamerikaner, den Zugang zur Wahl erschweren. Die „New York Times“ nannte diese klare Positionierung das „bisher beste Beispiel für das neue Verantwortungsgefühl der Wirtschaft“. Das Blatt kontrastierte dies mit dem Verhalten zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre, wo beispielsweise die Rating-Agentur Moodys damals ausdrücklich erklärte, dass man dafür keine Sympathien hege. „Einige unserer größten Unternehmen erleben ein politisches Erwachen“, so überschrieb auch die „Washington Post“ eine Analyse. Sie zog das Fazit, dass dieser Schwenk aus geschäftlicher Sicht eine clevere Entscheidung sei.

Inzwischen versuchen sich konservative, republikanische Senatoren wie der Texaner Ted Cruz ganz bewusst gegen die Wirtschaft zu positionieren. Er werde keine Spenden von Unternehmen mehr annehmen, sagte Cruz in einem Beitrag für das „Wall Street Journal“.

Klare Positionierung gegen die republikanische Strategie

Dabei ist das Vorpreschen der Firmen durchaus riskanter als bisherige, politisch inzwischen nicht mehr so heikle Strategien zugunsten von Schlagworten wie Nachhaltigkeit, Diversität innerhalb der Unternehmen oder sozialer Verantwortung. Mit dem Brief begaben sich die Firmenchefs auf ein viel heikleres politisches Minenfeld als bei der öffentlichen Kritik an der offensichtlichen Polizeigewalt gegen George Floyd. Georgia war mit einem knappen Wahlsieg der Demokraten im November 2020 der Schlüssel zu Donald Trumps Wahlniederlage – die er nie eingestanden hat. Auch zwei Senatssitze gingen mit den Stimmen der stark mobilisierten Afroamerikaner knapp an die Demokraten. Die Fluggesellschaft Delta, die in Georgias Hauptstadt Atlanta ihre Basis hat, wollte anfangs in üblicher Manier in dem Konflikt neutral bleiben.

Druck von afroamerikanischen Firmenchefs

Aber eine Gruppe afroamerikanischer Firmenchefs machte unter anderem durch eine öffentliche Anzeigenkampagne Druck – ein bisher auch noch nicht da gewesener Vorgang. Am Ende bezog Firmenchef Ed Bastian in einem internen Schreiben an die Mitarbeiter klar gegen die Wahlrechtseinschränkungen Position: Das ganze Gesetz der Republikaner basiere auf der Lüge von Trumps gestohlener Wahl. Dies sei „kristallklar“. Eine öffentliche Stellungnahme des Getränkekonzerns Coca-Cola, der wie Delta in Georgias Hauptstadt Atlanta seine Firmenzentrale hat, äußerte die Vorwürfe gegen die Republikaner in diplomatischerer Sprache.

Sogar der bei Linken und Liberalen in den USA besonders unpopuläre Investment-Gigant Black Rock fand klare Worte: „Ein gleichberechtigter Zugang zum Wählen ist die Grundlage der amerikanischen Demokratie“, schrieb Firmenchef Larry Fink: „Blackrock ist über jede Maßnahme besorgt, die diesen Zugang für irgendjemanden erschweren könnte.“

Die Kunden der Zukunft sind nicht mehr weiß

Wie beim Klimaschutz stecken hinter dieser Wende langfristige Erwägungen. Die Republikaner versuchen immer aggressiver, sich an die Machtbasis eines weißen, konservativen, eher ländlich geprägten Amerikas zu klammern. Doch die Firmen blicken im Gegensatz dazu eher in Richtung der Städte.

Bei der dort lebenden, jüngeren, konsumfreudigen, gebildeten und wohlhabenden Generation von Amerikanern ist Diversität inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Auch wer akademisch gebildete Talente anziehen will, muss sich als offen präsentieren. Die wachsenden, nichtweißen Bevölkerungsgruppen sind das Kundenpotenzial der Zukunft. Eine Abhängigkeit von einer Identitätspolitik der Republikaner, die auf eine alternde, weiße Minderheit setzt, erscheint wenig attraktiv.