Kommt der Lärm vor die Haustüre gefahren? Eine Bürgerinitiative in Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg) will ein S-Bahn-Betriebswerk in Ensingen stoppen. Zugleich soll der damit verbundene Zugverkehr durch Kleinglattbach verhindert werden.
Mehr Bahn und Bus wünschen sich viele – aber der ÖPNV-Zuwachs hat seinen Preis. Der Verband Region Stuttgart (VRS) sucht einen Standort für ein zweites S-Bahn-Betriebswerk. Das soll nach bisherigem Stand im Vaihinger Teilort Ensingen entstehen. Das Projekt stößt auf Vorbehalte, eine Bürgerinitiative mit dem Namen „Zugkunft bewegt!“ lehnt es wegen des Lärms ab. Vermisst werden eine offene Kommunikation und Transparenz.
Über die S-Bahn wird derzeit viel diskutiert in der Großen Kreisstadt am westlichen Rand des Landkreises Ludwigsburg. Das Vorhaben des VRS, die bisherige S-Bahn-Linie 5 von Stuttgart nach Bietigheim-Bissingen bis nach Vaihingen zu verlängern, wirkt verlockend. Im Gegensatz zu den Metropol-Express-Zügen (MEX) böte die S-Bahn den Vorteil, direkt zu großen Arbeitgebern wie Bosch und Porsche in Zuffenhausen oder Feuerbach an der S-Bahn-Linie zu gelangen. Auch Kommunen wie etwa Sersheim oder Sachsenheim wünschen sich eine rasche Realisierung – sie erscheint frühestens 2034 möglich.
Fahrt gewonnen hat das Projekt durch das Ja der Regionalversammlung im Dezember 2023. Eine Machbarkeitsstudie offenbarte jedoch Schwächen. Der Anschluss in Vaihingen ist trotz dreier Varianten nur schwer verwirklichbar und muss neu betrachtet werden. Darauf wies nicht zuletzt die Bürgerinitiative „Zugkunft bewegt!“ hin, die sich im Juni 2024 gebildet hatte und auf Probleme in Kleinglattbach hinwies. Die VRS-Spitze unter Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler muss deshalb eine neue Machbarkeitsstudie erstellen. Sie sollte eigentlich in diesem November oder Dezember vorgelegt werden, braucht aber Stand jetzt wohl noch etwas länger.
Das Betriebswerk in Ensingen ist eine Kopfgeburt der VRS-Planer
Das geplante Betriebswerk in Ensingen wäre aus Sicht des VRS absolut wünschenswert. Handelt es sich um eine Art Tauschgeschäft? S-Bahn-Verlängerung nach Vaihingen nur, wenn das Werk gebaut werden darf? Jürgen Wurmthaler bestreitet das vehement. „Von einem Deal kann nicht die Rede sein.“ Auch die Stadt Vaihingen hat nach eigenen Angaben nicht mitgewirkt, die Planung des S-Bahnverkehrs sei ausschließlich VRS-Sache. Das Betriebswerk ist bis jetzt also nur eine Kopfgeburt der Regionalplaner.
Jürgen Wurmthaler macht keinen Hehl daraus, dass neben dem bisherigen Betriebswerk in Plochingen ein zweiter Standort dem gesamten Netz in der Region Stuttgart guttäte. „Es ist auch sinnvoll, dass dieser Standort dort liegt, wo eine neue Strecke in Betrieb geht.“ Der Norden und Westen des VRS-Gebietes eigne sich, um den Standort Plochingen zu ergänzen. Klar sei, dass für das neue Betriebswerk Flächen gebraucht würden. „Wir sehen natürlich auch, dass im Landkreis Ludwigsburg der Platz für alle Infrastrukturprojekte knapp ist.“
An dieser Stelle heben die Mitglieder der Bürgerinitiative „Zugkunft bewegt!“ den Finger. Sie halten den Standort in Ensingen für den falschen – den Raumbedarf schätzen sie auf acht bis neun Fußballfelder. „Wir vermissen Transparenz und sehen, dass wertvolle Ackerflächen versiegelt würden“, sagt Ludwig Schmid, Sprecher der Initiative. Die Anwohner müssten an jedem Tag im Jahr im 24-Stunden-Betrieb enorme Lärm- und Verkehrsbelästigungen hinnehmen. Finanziell springe für Vaihingen nichts heraus, da ein Betriebswerk kein gewinnorientiertes Unternehmen sei.
Überhaupt käme das Betriebswerk nur zustande, wenn die S-Bahn auf der alten Trasse der Württembergischen Eisenbahn-Gesellschaft (WEG) im Vaihinger Teilort Kleinglattbach fahren dürfte. An dem stillgelegten, aber noch nicht entwidmeten Teil wollten jedoch viele Menschen „in Ruhe weiterwohnen“, sagt Ludwig Schmid, der auch sonst Einbußen in der Lebensqualität befürchtet: „Der Ort würde praktisch zerteilt.“
Die S5-Verlängerung bis nach Mühlacker wünschen sich viele
Die Hoffnungen ruhen nun auf einem Plan, den der Vaihinger Oberbürgermeister Uwe Skrzypek mit seinen Mühlacker und Illinger Amtskollegen im Sommer geschmiedet hat. Die S-Bahn solle bis nach Mühlacker fahren, dort könnte an nicht genutzten Gleisen des Bahnhofs das Betriebswerk entstehen. „Alle Probleme wären mit einem Schlag gelöst – die S-Bahn könnte auf den bisher genutzten Gleisen von und nach Sersheim durchfahren und müsste auch nicht umständlich in Vaihingen wenden, wie es wegen des Rechtsfahrverbots notwendig wäre“, sagt Astrid Kniep, die Pressesprecherin der Stadt Vaihingen.
Betroffenheit der Ensinger hält sich in Grenzen
Die Betroffenheit der etwa 2500 Ensinger scheint sich bisher in Grenzen zu halten. „Beim Bürgerdialog des Oberbürgermeisters klang das Thema kaum an“, berichtet Astrid Kniep. Möglicherweise ist das Thema noch zu weit weg, da noch nicht geklärt ist, wie die S-Bahn in Vaihingen einfahren soll.
Ob die Große Kreisstadt und die Bürgerinitiative bei den Regionalräten Erfolg mit ihrem Vorschlag Mühlacker haben, wird davon abhängen, ob die Art und Weise auf Akzeptanz stößt, wie Kreis-, Regions- und Tarifgrenzen überschritten werden. „Wir haben diese Variante in die neue Machbarkeitsstudie aufgenommen“, erklärt VRS-Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler. Er sieht die Kommunen im Enzkreis und das Land in der Pflicht, für die Streckenabschnitte, die über die Grenze des VRS hinausgehen, die Finanzierung zu schultern. „Hier müssen noch Gespräche geführt werden.“
Was leistet das Plochinger Werk?
Betriebswerk
Das Bahnbetriebswerk in Plochingen kümmert sich mit 550 Mitarbeiter um etwa 215 Fahrzeuge, die im Bahnbetrieb in und um Stuttgart fahren. Die dreigeschossige etwa 125 Meter lange Halle ist im Jahr 1978 eröffnet worden und verfügt über sechs Hallengleise. Diese Strecken für Wartungsarbeiten sind 140 Meter lang. Das Bahnbetriebswerk ist seit 2021 nicht mehr Teil der S-Bahn Stuttgart, sondern gehört einem Werksverbund an, der direkt der Deutsche Bahn AG untersteht.
Wartungen
Eine S-Bahn fährt nach Angaben des Bahnbetriebswerkes pro Tag etwa 500 bis 800 Kilometer. Nach 11 000 Kilometern falle eine kleine Inspektion an. Daran seien drei Leute beteiligt, diese Arbeit dauere etwa zwei Stunden. Länger seien die Bahnmitarbeiter bei einer großen Inspektion nach 33 000 Kilometern tätig. Sie dauere sechs Stunden und erfordere den Einsatz von zehn Mitarbeitern.