Wer Koch werden möchte, hat gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Foto: picture alliance //Tobias Hase

Landesregierung, Arbeitsagentur, Wirtschaft und Gewerkschaften vereinbaren eine Neuauflage des Bündnisses zur Stärkung der beruflichen Ausbildung bis 2027. Trotz feierlicher Atmosphäre sind die Botschaften teils kritisch.

Der bedrohliche Fachkräftemangel zwingt zu mehr Einsatz: In einer gemeinsamen Kraftanstrengung wollen 14 Bündnispartner dafür sorgen, dass noch mehr junge Menschen in Ausbildung kommen und weniger Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Dazu wurde im Stuttgarter Neuen Schloss eine Neuauflage der Allianz für die Jahre 2023 bis 2027 besiegelt.

In Baden-Württemberg hat jeder siebte junge Mensch zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss – und noch immer sind mehr als 22 000 Bewerber im laufenden Ausbildungsjahr unversorgt. Zugleich registriert die Bundesagentur für Arbeit (BA) jedoch mehr als 42 000 gemeldete offene Ausbildungsstellen.

„Das Bündnis war noch nie so wichtig“

„Das Bündnis war noch nie so wichtig wie aktuell“, sagte Marjoke Breuning, die Vizepräsidentin des Industrie- und Handelskammertages im Land (BWIHK). Die Coronajahre hätten deutliche Spuren hinterlassen, die nur schwer aufzuholen seien. Allein in den Industrie-, Handels- und Dienstleistungsberufen sei bis Ende 2022 ein Rückgang an neuen Ausbildungsverträgen von rund 13 Prozent gegenüber 2019 zu verzeichnen gewesen. „Für dieses Ausbildungsjahr zeichnet sich ein Anstieg von knapp sechs Prozent zum Vorjahr im Bereich der IHK im Land ab – wir hoffen, dass sich die Entwicklung bis zum Start des Ausbildungsjahrs fortsetzt und wir zumindest langsam aus der Talsohle herauskommen.“

Auch Thomas Bürkle, Vizepräsident der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), lobte, dass das Bündnis viel erreicht habe. Für die neue Bündnisphase unterstrich er die hohe Priorität der Berufsorientierung. Die Wirtschaft werde diese an den Schulen zum Beispiel über Betriebspraktika, die Bereitstellung von Ausbildungsbotschaftern oder Bildungspartnerschaften maßgeblich unterstützen, versprach er. Die Verbände haben demzufolge hohe Erwartungen an das Umsetzungskonzept zur beruflichen Orientierung, das derzeit federführend vom Kultusministerium erarbeitet wird.

DGB bringt weiter eine Ausbildungsumlage ins Spiel

„Kein junger Mensch darf zwischen Schule und Ausbildung verloren gehen“, mahnte nicht nur Maren Diebel-Ebers, die Landesvize des Gewerkschaftsbundes (DGB) – und setzte sogleich einen Kontrapunkt: „Damit das gelingt, müssen wieder mehr Betriebe ausbilden.“ Im Land bilde nur noch jeder fünfte Betrieb aus, rund 22 Prozent im Jahr 2019. Betrachte man die ausbildungsberechtigten Betriebe, so ergebe sich ein differenziertes Bild: Zwar würden 96 Prozent der Großbetriebe mit mehr als 500 Beschäftigten ausbilden, aber auch nur 41 Prozent der Firmen mit weniger als zehn Beschäftigten. „Gerade kleinere Betriebe haben sich häufig aus finanziellen oder organisatorischen Gründen aus der Ausbildung zurückgezogen“, monierte die Gewerkschafterin.

Der DGB setzt daher weiter auf eine Ausbildungsumlage: „So können Anreize gerade für kleinere Betriebe geschaffen werden, wieder in die Ausbildung einzusteigen oder diese auszubauen.“ Ein Ausbildungsfonds würde den Betrieben zugutekommen, die ihrer Verantwortung zur Fachkräftesicherung gerecht werden, sagte Diebel-Ebers. Bislang wehren sich die Wirtschaftsverbände erfolgreich gegen eine solche Umlage.

Denkanstöße gab auch BA-Regionalchef Christian Rauch: „In der Bundespolitik erlebe ich manchmal das Prinzip: Viel hilft viel – das stimmt aber nicht am Ausbildungsmarkt“, sagte er. „Viel hilft nur, wenn es gut abgestimmt ist.“ Insofern müssten auch die zu erwartenden Ergänzungen im Weiterbildungsgesetz des Bundes gut mit den Möglichkeiten im Land abgestimmt werden, damit sie Wirkung entfalten können.

Sind die Berufsbilder noch aktuell?

Rauch regte zudem an, über Änderungen an den Berufsbildern nachzudenken. Tendenziell seien die Anforderungen auf lange Sicht stetig gestiegen – „das führt auch zur Abschreckung, weil sich der eine oder andere junge Mensch überfordert fühlt, obwohl er es teilweise objektiv nicht ist“. Ferner sollte man die Weiterentwicklung zweijähriger Stufenausbildungen für junge Menschen mit schwächeren Schulnoten, aber anderen Talenten erwägen – und prüfen, ob Spezialisierungen nicht mehr in der Ausbildung erfolgen sollen, sondern erst im Betrieb. Dies wäre Neuland. „Es wäre aber nicht das erste Mal, wo in Baden-Württemberg Neuland betreten wird“, sagte der BA-Regionalchef.

Bilanz für 2019 bis 2022

Rückgang
 Das Bündnis habe von 2019 bis 2022 einen zentralen Beitrag zur Stabilisierung des dualen Ausbildungssystems geleistet, heißt es. 2022 seien 65 847 neue Ausbildungsverträge geschlossen worden – dies seien 12,6 Prozent weniger gegenüber 75 312 (2018) und im Kern eine Coronafolge.

Auflösungen
Mit zuletzt 23,5 Prozent (2021) hatte Baden-Württemberg den bundesweit geringsten Anteil vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge (2018: 22,8 Prozent.