Japanischer Totentanz: Milena Michiko Flašar Foto: Helmut Wimmer

Milena Michiko Flašar erzählt in ihrem Roman „Oben Erde, unten Himmel“ auf herzerwärmende Weise von den Abenteuern einer Leichenfundortreinigerin in Japan. An diesem Mittwoch liest sie daraus in Stuttgart.

Sobald die Rede auf Persönliches kommt, schnürt es Suzu Takada die Kehle zusammen, ein vertraulicher Tonfall verursacht ihr Herzrasen. Aus Angst vor dröhnenden Gesprächspausen zieht sie es vor, für sich zu bleiben. Man könnte dies für die Privatangelegenheit einer Soziopathin halten. Doch in der Gesellschaft, in der sie sich so unauffällig wie möglich aufzulösen versucht, ist sie mit dem Problem nicht allein. Im Gegenteil, Einsamkeit ist das Missing Link, das die junge Frau, die in dem neuen Roman der austro-japanischen Schriftstellerin Milena Michiko Flašar ihre Geschichte erzählt, mit vielen verbindet. Zum Beispiel mit diesem Sonderling, der sich mit ihr für eine neue Stelle bewirbt. Vereinzelung als Massenphänomen erscheint so paradox wie die verschränkten Zuordnungen des Romantitels: „Oben Erde, unten Himmel“. Die japanische Großstadt, in deren Anonymität sich Suzu eingenistet hat, verfügt über eine ausgesprochene Einsamkeitsinfrastruktur: Es gibt nicht nur spezielle Produktreihen für Singles, sondern Rückzugsorte aller Art. Die einen suchen im Gefängnis Gesellschaft, die anderen mieten Autos, nicht um damit zu fahren, sondern um darin für sich zu sein. Das gesichtslose Getümmel, vor dem sie fliehen, ist der graue Hintergrund der Isolation.