Geballte Frauenpower (von links): Veronika Kienzle, Barbara Bosch, Paula Lutum-Lenger und Barbara Stoll Foto: Lg//Leif Piechowski

Ein Zeugnis 200-jähriger bürgerschaftlicher Einmischung: Staatsrätin Barbara Bosch und die Direktorin Paula Lutum-Lenger vom Haus der Geschichte haben einen Almanach zum Thema in der Stiftung Geißstraße vorgestellt.

Es jährt sich bald zum 72. Mal: Am 9. Dezember 1951 legte eine Volksabstimmung in Baden und Württemberg-Hohenzollern den Grundstein für den Südweststaat, der dann tatsächlich am 25. April 1925 gegründet wurde. Eine Liebesheirat, lernt jedes Kind in diesem Land, war es nicht, aber der Hahnenkampf der jeweiligen „Landesfürsten“, damals in einer Karikatur dargestellt, war damit zu Ende. Nachlesen kann man diese bedeutenden Daten und Ereignisse in dem Buch „Des Volkes Stimme“, das Barbara Bosch, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung im Staatsministerium, und Paula Lutum-Lenger, Direktorin des Hauses der Geschichte, in der Stiftung Geißstraße präsentierten.

Ein Almanach des Widerstandes, der als Gemeinschaftsprojekt von Politik und Kulturgeschichte zum 70. Geburtstag von Baden-Württemberg erschien und belegt, dass „hierzulande nicht nur geschafft, gebruddelt und gehorcht, sondern auch um demokratische Selbstbestimmung gerungen wurde“. „Des Volkes Stimme“, das sind 100 Stimmen aus 200 Jahren, die in diesem „Kalender zur Partizipation im Südwesten“ Bürgerbeteiligung fordern und durchsetzen. Alles begann in Baden, wo Großherzog Karl I. am 22. August 1818 die Verfassung per Handzeichen durchwinken musste.

Lehrreicher und amüsanter Gang durch die Geschichte

In Württemberg folgte die Unterzeichnung von Wilhelm I. am 25. September 1819. Den Frauen sind die ersten Kapitel in diesem lehrreichen und auch amüsanten Gang durch die Geschichte gewidmet. Denn sie hatten erstmals das Wahlrecht, als am 5. Januar 1919 die Badische Nationalversammlung und am 12. Januar die Württembergische Landesversammlung gewählt worden waren, und sie hatten sich diese Chance nicht entgehen lassen: Anna Maria Beyerle, die als Zentrumsabgeordnete gewählt worden war, und Marianne Weber, die für die Deutsche Demokratische Partei (DDP) in das Karlsruher Ständehaus einzog und als erste Frau eine parlamentarische Rede in der Eröffnungssitzung hielt: „Es sei mir gestattet, hier nicht als Abgeordnete, sondern als Frau zu sprechen…“

Die Rede ist dank einem QR-Code zu hören. Zu den „Wilden 13“, die in Württemberg die Männer-Domäne aufmischten, gehörte auch die Sozialistin Clara Zetkin.

Dann ein Zeitsprung ins Heute, als Veronika Kienzle, die als Mitarbeiterin der Stabsstelle im Staatsministerium dieses Buch angeregt hatte, die bemerkenswerte Karriere von Muhterem Aras „von Anatolien zur Landtags-Präsidentin“ erwähnte. Man schlage den 15. Januar auf: An diesem Tag im Jahr 1989 zählte die grüne Politikerin zu den Aktivisten, die mit dem Ruf „Einwanderinnen ins Rathaus“ sichere Listenplätze forderten. „Es war ein Kulturschock“, erinnert sich der ehemalige Grünen-Stadtrat Roland Kugler: „Harter Tobak.“

Auch aktuelle Bezüge fehlen nicht

Ein aktueller Bezug drängt sich auch beim Kalenderblatt über den Remstal-Rebellen Helmut Palmer auf, nachdem sein Sohn Boris gerade trotz seines oft gewöhnungsbedürftigen Auftretens und Redens wieder zum OB in Tübingen gewählt wurde. „Der Ton stimmt oft nicht“, gab Paula Lutum-Lenger, in Tübingen zuhause, zu, „aber die Menschen erkennen seine Taten an.“

„Wir verlangen:“ 900 Menschen stimmten am 12. September 1847 im Gasthaus Salmen in Offenburg den „13 Forderungen des Volkes“ nach Freiheit, Gerechtigkeit, Bildung und der „Abschaffung aller Vorrechte“ zu, mit denen Friedrich Hecker und Gustav Struve die Eckpunkte einer Demokratie verfassten, die bis heute gelten.

Hecker und Struve wichen nach Amerika aus, aber die Forderungen des Volkes verbreiteten sich schnell in ganz Deutschland. Und heute setzt Barbara Bosch auf Mitwirkung und Dialog in Bürgerforen: „Die Bürger schätzen die repräsentative Demokratie, aber sie wollen gehört werden.“ Sie plädiert daher verstärkt für Bürgerforen, „um die Demokratie zu stärken“.

Des Volkes Stimme.Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Preis: 16,90 Euro. Erhältlich im Buchhandel und im Museumsshop im Haus der Geschichte. ( www.hdgbw.de/shop oder E-Mail museumsshop@hdgbw.de.)