Erst Hotel, dann Gestapo-Zentrale – und heute ein Lernort: Das Hotel Silber Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Lange wollte man in Stuttgart nicht wissen, was im Hotel Silber, der Gestapo-Zentrale, passierte. Ein umfassender Katalog gibt nun Einblicke in die Geschichte – und manch persönliches Schicksal.

Stuttgart - Um die Arbeitsstelle wird sie mancher beneidet haben: Als Ella Schneck aufs Arbeitsamt ging, weil sie eine Anstellung mit gutem Verdienst suchte, hatte sie Glück. 1937 wurde sie als Stenotypistin bei der Gestapo eingestellt – Abteilung Spionage, Abwehr und Sabotage. Ella Schneck hatte viel zu tun, sie saß in zahllosen Verhören und tippte in die Maschine, was aus den Menschen herausgepresst wurde. Ihr Arbeitsplatz war das ehemalige Hotel Silber, in das die Gestapo 1933 eingezogen war und in den Verwahrzellen im Keller all jene wegsperrte, die dem neuen Staat nicht gefielen.

Es waren auch viele Frauen bei der Gestapo angestellt

Der Bedarf an Personal war groß in der Stuttgarter Gestapo, Juristen, Verwaltungsfachleute und Polizisten waren damit befasst, unschuldige, verdächtige und verleumdete Menschen zu verhaften. Arbeitslose SS-Männer wurden als Hilfspolizisten eingestellt, und selbstverständlich arbeiteten auch viele Frauen an diesem Ort des Schreckens – als Dolmetscherinnen, Sekretärinnen und als Stenotypistinnen wie Ella Schneck. Sie saß auch im Fall des Hitler-Attentäters Georg Elser an der Maschine.

In einem Buch lacht einem die junge Frau nun freundlich entgegen – und macht bewusst, wie nah auch in Stuttgart Schrecken und Alltag beieinander lagen. Zweieinhalb Jahre nach der Eröffnung der Dauerausstellung im Gedenkort Hotel Silber hat das Haus der Geschichte Baden-Württemberg nun einen umfassenden Katalog herausgebracht, der die Dokumente zeigt, die die Historiker in langjähriger Arbeit gesichtet haben, der einzelne Akteure vorstellt – und dabei ein dunkles Stück Stadtgeschichte erhellt.

Vati darf endlich in den „Freiheitskampf“ ziehen

„Nun ist auch unser Vati Soldat geworden“, schreibt Irene Hagenlocher im Fotoalbum ihrer Tochter, „schon so lange hatte er darauf gewartet in diesem großen Freiheitskampf auch mitkämpfen zu dürfen.“ Der Vati war Gestapo-Mitarbeiter, sein lang ersehnter Einsatz im „Freiheitskampf“ im heutigen Weißrussland war ein Vernichtungsauftrag, der 20 000 Menschen das Leben kostete. Im Hotel Silber wurde verhört, inhaftiert und misshandelt, von hier aus wurden aber auch die Deportationen organisiert.

Dabei war das Hotel Silber über viele Jahre bekannt dafür, dass hier die bessere Gesellschaft logierte. Lange war das Hotel Silber eine der ersten Adressen in Stuttgart. Den Namen bekam das Hotel aber nicht von den Silberkännchen, in denen den Herrschaften der Kaffee serviert wurde. 1873 kaufte ein gewisser Heinrich Silber das Gasthaus „Zum Bayrischen Hof“ und baute es aus zu einem gehobenen Haus. 1928 zog dann die Polizei ein, und von 1933 an nutzte die Geheime Staatspolizei das Gebäude.

Der Wachmann ermordete Else Josenhans im Keller

Der lesenswerte Katalog wirft viele verschiedene Schlaglichter auf die facettenreiche Vergangenheit – und gibt dabei auch Einblick in Einzelschicksale auf Täter- wie auf Opferseite. Als Else Josenhans 1945 nach Theresienstadt deportiert werden sollte, brachen ihre Töchter ihr den Knöchel, um sie transportunfähig zu machen. Sie wurde im Hotel Silber inhaftiert als eine der letzten Gefangenen. Als die Alliierten auf dem Vormarsch nach Stuttgart waren, befahl der Gestapo-Chef, alle Gefangenen im Hotel Silber zu ermorden. Der Wachmann Anton Dehm erhängte Else Josenhans – was er später erklärte mit den Worten „Befehl ist Befehl“.