Szenen wie beim überstürzten Abzug der westlichen Truppen vom Flughafen in Kabul sollen sich nicht wiederholen. Auch aus diesem Grund will sich die EU einen neuen „strategischen Kompass“ geben. Foto: AFP/WAKIL KOHSAR

Europa muss sich gegen die wachsenden Bedrohungen in einer sich verändernden Welt wehren können. Der „strategische Kompass“ ist dazu der erste Schritt, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Brüssel - Die Machtpolitik ist zurückgekehrt. Konflikte zwischen Staaten werden immer häufiger wieder offen ausgetragen. Natürlich nicht immer mit militärischen Mitteln, auch das hat sich verändert. Inzwischen gehören Cyberangriffe fast schon zum Alltag, auch Rohstoffe wie etwa Gaslieferungen werden als Waffe eingesetzt oder an der Grenze zu Belarus zeigt sich, dass in diesem oft zynischen Spiel der Mächte Menschen rücksichtslos instrumentalisiert werden.

Neue Herausforderungen in der Welt

Die EU muss auf diese neuen Herausforderungen reagieren. Zu lange hat sie sich nur als „Softpower“ verstanden, die alle auftretenden Konflikte aussitzen oder irgendwie mit ihrer schieren wirtschaftlichen Macht lösen kann. Inzwischen zeigt sich, dass - auch durch die massive Einflussnahme von außen - die Demokratien in manchen Staaten der EU fundamental bedroht sind. Und China präsentiert sein autoritäres Herrschaftsmodell selbstbewusst als erfolgreichen Gegenentwurf zur liberalen Gesellschaftsordnung des Westens.

Am Ende muss ein umfassendes Konzept stehen

Mit dem neuen „strategischen Kompass“ hat Europa den richtigen Weg eingeschlagen. Die geplante militärische Eingreiftruppe ist dabei die sichtbarste Komponente. Die EU muss aber wesentlich weiter gehen. Am Ende muss ein umfassendes Konzept stehen, wie die wirtschaftliche, strategische und politische Handlungsfähigkeit der Europäischen Union abgesichert werden kann. Die Diskussion um diese Eingreiftruppe macht allerdings ein typisch europäisches Problem deutlich. Im vielfältigen Chor der Meinungen und nationalen Eifersüchteleien droht die EU das gemeinsame Ziel aus den Augen zu verlieren. Dabei führt im Moment die Krise an der Grenze zu Belarus wieder einmal deutlich vor Augen, dass die Herausforderungen längst von globaler Natur sind und von Europa nur gemeinsam gelöst werden können.