An der zum Teil 100 Jahre alten Konstruktion der Wilhelmsbrücke gibt es Korrosionsschäden – das hat eine Untersuchung im Februar ergeben. Das heißt, die Wilhelmsbrücke muss ersetzt werden, sobald 2028 die neue Rosensteinbrücke fertig ist.
Die Hiobsbotschaften für das Tiefbauamt der Stadt Stuttgart reißen nicht ab. Nach der Rosenstein- und der Löwentorbrücke auf der Heilbronner Straße ist nun auch die Wilhelmsbrücke in Bad Cannstatt, die die Neckarvorstadt mit der Altstadt verbindet, ist marode und muss durch einen Neubau ersetzt werden. Seit März 2022 ist die Brücke im Rahmen eines Verkehrversuchs für Autos gesperrt.
„Das Tiefbauamt hat im Februar eine Bauwerksprüfung an der Wilhelmsbrücke durchführen lassen“, sagt Claus-Dieter Hauck, beim Tiefbauamt für Brücken und Tunnel verantwortlich. Die Ergebnisse seien niederschmetternd gewesen, denn es zeigten sich umfangreiche Korrosionsschäden an der zum Teil mehr als 100 Jahre alten Konstruktion.
Im Prüfbericht wurden Sofortmaßnahmen gefordert, die verhindern sollen, dass sich die Schäden weiter ausbreiten. „Zunächst müssen umgehend die schadhaften Fugen instandgesetzt werden, durch die schädigendes, tausalzbeaufschlagtes Oberflächenwasser an die Tragkonstruktion dringt“, sagt Claus-Dieter Hauck. Weitere Untersuchungen sollen zeigen, wie die Brücke für die derzeitige Nutzung verfügbar gehalten werden könne. Die Neckarquerung zwischen der Cannstatter Altstadt und der Neckarvorstadt ist laut Hauck grundsätzlich nur für Fahrzeuge bis maximal 3,5 Tonnen befahrbar. „Eine Nutzung durch den Individualverkehr wird auch nicht mehr möglich sein“, betont der Experte, der bereits Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler über den Zustand der Brücke informiert hat. „Das Drama um die Cannstatter Brücken geht in die nächste Runde“, sagt Löffler. Er werde umgehend die Bezirksbeiratsfraktionen informieren und hoffe, dass bereits in einer der nächsten Sitzungen das Tiefbauamt Rede und Antwort stehen werde.
Keine Sondernutzungen mehr
Die einzig positive Nachricht in diesem Zusammenhang: Passanten und Fahrradfahrer könnten die Brücke auch weiterhin nutzen, sagt Claus-Dieter Hauck. Das schließe allerdings Umzüge, Veranstaltungen oder Menschenansammlungen von mehreren hundert Personen aus. Was aus Sicht der Rettungsdienste wichtig ist: Einsatzfahrzeuge bis zu einem Gewicht von 3,5 Tonnen können auch weiter über die Wilhelmsbrücke zu Einsatzort fahren und müssen nicht einen Umweg über die Reinhold-Maier- oder die König-Karls-Brücke wählen. Die Feuerwehr ist davon nicht tangiert. Für deren schwere Einsatzfahrzeuge war die Brücke immer schon tabu.
Neubau ab 2028
Claus-Dieter Hauck möchte den weiteren Untersuchungen des von der Stadt beauftragten Ingenieurbüros nicht vorgreifen, doch eines steht für ihn fest: „Die Wilhelmsbrücke muss spätestens nach der Fertigstellung der neuen Rosensteinbrücke ebenfalls durch einen Neubau ersetzt werden.“ Laut den zuständigen Ämtern wäre das jedoch nicht vor 2028 der Fall. Dieses Datum wurde kürzlich genannt.
Ob die Stadt in den kommenden Jahren ein noch massiveres Brückenproblem bekommen wird, kann heute niemand mit Sicherheit sagen. Allerdings haben die Verantwortlichen des Tiefbauamts und der zuständige Bürgermeister Dirk Thürnau dem Gemeinderat schon mehrfach zu verstehen gegeben, dass nicht nur die König-Karls-Brücke in einigen Jahren saniert werden müsste, sondern längerfristig auch die Reinhold-Maier-Brücke.
Die dritte Neckarquerung an gleicher Stelle
Eine neue Wilhelmsbrücke ab 2028 wäre bereits die dritte Neckarquerung an gleicher Stelle. Die erste entstand ab 1835 und wurde drei Jahre später im Beisein von König Wilhelm an seinem Geburtstag am 27. September eingeweiht. Das Bauwerk fiel fast hundert Jahre später der Neckarregulierung zum Opfer: 1929 wurde die Brücke abgebrochen und durch eine neue Stahl-Nieten-Konstruktion ersetzt. Die neue Neckarquerung hatte auch deshalb große Bedeutung für die Bevölkerung, weil auch weiterhin die Straßenbahnlinie 12, die damals noch durch die Marktstraße fuhr, über die Flussquerung in die Neckarvorstadt unterwegs sein konnte.
Wie so viele Brücken wurde auch die Wilhelmsbrücke am Ende des Zweiten Weltkriegs gesprengt, jedoch in den folgenden Jahren bis 1949 aus vielen Originalteilen wiederhergestellt – allerdings diesmal ohne SSB-Gleise. Seitdem wurde die Flussquerung von Radfahrern, Passanten und Autofahrern genutzt. Der motorisierte Verkehr wurde allerdings per Mehrheitsbeschluss des Gemeinderats im Frühjahr 2022 von der Brücke verbannt. Die Brücke steht vor allem wegen ihres „verrosteten“ Aussehens bei den Cannstattern in der Kritik.