Michel Barnier, Chefunterhändler der Europäischen Union für den Brexit, spricht mit Journalisten. In den zähen Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt der Europäischen Union mit Großbritannien gibt es Bewegung. Foto: dpa/Virginia Mayo

Die Frage nach dem Zugang für EU-Fischerboote in britische Gewässer gehört zu den schwierigsten bei den Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt. Jetzt bewegt sich etwas - aber reicht das?

London/Brüssel - In den zähen Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt der Europäischen Union mit Großbritannien gibt es Bewegung. Dies gelte für die besonders umstrittene Frage des Zugangs von EU-Fischern zu britischen Gewässern, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Verhandlungskreisen. Spekulationen über einen nahen Durchbruch seien aber verfrüht.

„Wir sind jetzt wirklich an einem entscheidenden Punkt und machen eine letzte Anstrengung“, sagte EU-Unterhändler Michel Barnier vor einer Unterrichtung der EU-Staaten am Dienstagnachmittag. „In zehn Tagen wird das Vereinigte Königreich den Binnenmarkt verlassen.“ Er werde weiter arbeiten und die EU-Staaten und das Europaparlament auf dem Laufenden halten.

Beide Seiten hoffen auf Einigung

Am 31. Dezember endet die Brexit-Übergangsphase. Dann scheidet Großbritannien aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus. Beide Seiten hoffen auf einen Handelsvertrag in letzter Minute, um Zölle und hohe Hürden in den künftigen Wirtschaftsbeziehungen abzuwenden. Am Montag sprachen Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Telefon über die Verhandlungen und die Corona-Krise. Ergebnisse wurden nicht bekannt.

Wie ein Kompromiss aussehen könnte, skizzierte ein ehemaliges Mitglied des britischen Verhandlungsteams in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal „Politico“. Raoul Ruparel, einst Berater der Premierministerin Theresa May, hatte sich bereits im vergangenen Jahr einen Namen gemacht, als er den Kompromiss für das Austrittsabkommen korrekt vorhergesagt hatte.

Zollfreier Zugang auf EU-Fischmarkt?

Demnach sollen die Fangrechte der EU-Fischkutter über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg nach und nach um 35 Prozent reduziert werden. Die Briten bekämen weiter die Möglichkeit, ihre Fische zollfrei auf den europäischen Markt zu bringen. Flankiert werden soll das mit der Möglichkeit für Brüssel, Zölle für den Fall einzuführen, dass die Briten den Zugang für Fischer aus der EU weiter einengen - jedoch nur in von unabhängiger Seite festgelegter Höhe.

Nach Angaben der „Financial Times“ bestätigten EU-Kreise, dass es ein ähnliches Angebot aus London gegeben habe. Auf britischer Seite hieß es nach Angaben der Zeitung hingegen, die Positionen seien immer noch „weit auseinander“ und die Gespräche gestalteten sich „brutal kompliziert“. Offiziell schweigen beide Seiten zum Verhandlungsstand.

Warenverkehr am Ärmelkanal gestoppt

Aus Verhandlungskreisen hieß es, beide Seiten bewegten sich „in Zeitlupe“ aufeinander zu. Fischerei ist nur ein vergleichsweise kleiner Wirtschaftszweig - das Münchner Ifo-Institut schätzt den Gesamtwert der EU-Fangmengen in britischen Gewässern auf etwa 520 Millionen Euro. Doch hat er für EU-Küstenstaaten wie Frankreich hohe symbolische und politische Bedeutung. Auch für Großbritannien ist es ein Kernthema des Brexits und der nationalen Selbstbestimmung.

Lesen Sie hier: Gespräche gehen weiter - Kritik an britischer Vorbereitung

Sollten die Verhandlungen scheitern, könnte sich das durch die Coronavirus-Pandemie verursachte Chaos an Großbritanniens Häfen noch verschlimmern. Frankreich hatte am Sonntag den Warenverkehr von Großbritannien am Ärmelkanal gestoppt, nachdem die britische Regierung ihre Erkenntnisse über eine neue Variante des Coronavirus mitgeteilt hatte.

Nach Johnsons Vorstellungen soll der Warenverkehr so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden. Aus Pariser Regierungskreisen hieß es, man arbeite an einer Lösung, die im Laufe des Tages präsentiert werden dürfte. Manch einer sah in dem Chaos am Ärmelkanal einen Vorgeschmack auf einen möglichen No Deal.