Boris Palmer spaltet. Foto: dpa/Christoph Soeder

Christoph Joachim will für die OB-Wahl in Tübingen 2022 einen anderen Grünen-Kandidaten gegen Boris Palmer ins Rennen schicken. „Das Maß ist voll“, sagt der Fraktionschef der Grünen. Die Fraktion spricht am Montagabend über das Thema.

Tübingen - In Tübingen geht einer seiner engsten Freunde auf Distanz zu Boris Palmer. Christoph Joachim, Fraktionschef der Grünen im Tübinger Gemeinderat, hat endgültig genug. Er schlägt seiner Fraktion und der Partei vor, nicht mit Boris Palmer als Grünen-Kandidat, sondern mit einem anderen Bewerber in die 2022 anstehende OB-Wahl in Tübingen zu ziehen. Geht es nach Joachim, „ist Palmer nicht mehr unser Kandidat“.

Das ist eine Zäsur, auch für ihn persönlich. Palmer und der Grünen-Fraktionschef gelten als eng befreundet, in Tübingen hat man ihm deshalb den Spitznamen „Palmerling“ verpasst. Aber „jetzt reicht’s“, so Joachim. Der OB „reißt immer wieder mit dem Hintern ein, was wir filigran aufbauen“. Im Energiebereich, im Verkehrswesen „haben wir eine Wahnsinnspolitik hingelegt, da sind wir vorbildhaft in der ganzen Republik“.

Aber diese Arbeit werde konterkariert durch seine Äußerungen, „es geht gar nicht mehr um Inhalte“. Obendrein sei Palmer „völlig beratungsresistent, was seine Aktivitäten bei Facebook und seine schnellen Äußerungen“ angehe. Immer wieder habe man ihn gebeten, andere zwischenzuschalten, oder auch nur eine Nacht darüber zu schlafen, bevor er ein Posting zu strittigen Themen abschicke. „Dann müsste er sich auch nicht ständig entschuldigen, das ist doch unwürdig“, sagt Joachim. Vergebens.

„Ein OB muss zusammenführen, nicht spalten“

„Ein Oberbürgermeister muss zusammenführen“, Palmer aber spalte. Abgesprochen hat Christoph Joachim die öffentliche Distanzierung nicht mit seinem Freund, dem Rathauschef: „Der sagt mir ja auch vieles nicht vorher, das betrübt mich ja so!“

Wie berichtet hatte Boris Palmer in einem Interview zur Corona-Krise gesagt, „wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären“. Dafür war er parteiübergreifend scharf kritisiert worden und hat sich später auch mehrfach für die Formulierung entschuldigt. Mittlerweile fordern mehrere Grünen-Politiker vor allem aus Berlin den Tübinger Kreisverband und den baden-württembergischen Landesverband auf, ein Parteiausschlussverfahren in die Wege zu leiten. Am Sonntagabend hat der Bundeschef der Grünen, Robert Habeck, bei der Fernsehtalkshow „Anne Will“ gesagt, seine Geduld sei erschöpft, man werde einen Parteiausschluss prüfen.

Der Landesverband berät am Freitag

Christoph Joachim lehnt das ab, das sei Quatsch. Erstens sei es nicht so einfach, ein Parteimitglied auszuschließen. Zweitens bringe es nichts. Eine Partei wie die Grünen halte es aus, streitbare Geister in ihren Reihen zu haben.

Nur müssen diese streitbaren Geister offenbar dann auch nicht erwarten, dass man sie dann auch auf Posten hievt. Der baden-württembergische Landesverband äußert sich noch nicht zu der Forderung nach einem Parteiausschluss. Wir werden im Rahmen der nächsten regulären Sitzung unseres Landesvorstands, die am 8. Mai als Videokonferenz durchgeführt wird, über die Angelegenheit beraten“, teilt ein Sprecher mit.