Landtagspräsidentin Muhterem Aras sieht in der Tat von Hanau einen direkten Angriff auf die Grundwerte. Foto: www.imago-images.de/Sachelle Babbar

Politiker aus dem Südwesten reagieren entsetzt auf den Anschlag in Hanau. Viele erkennen dahinter keinen Einzeltäter, sondern rechte Strukturen. Manche geben der AfD eine Mitschuld.

Stuttgart - Der mutmaßlich rechtsradikale und rassistische Anschlag von Hanau hat in Baden-Württemberg Bestürzung und Trauer ausgelöst. „Der Landtag von Baden-Württemberg ist tief erschüttert von den rassistisch motivierten Morden in Hanau“, teilte Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) am Donnerstag mit. „Sie sind ein direkter Angriff auf unsere Grundwerte und leider der neuerliche Beweis dafür, dass sich rechtsextremistische Täter durch ein verändertes Klima im Land ermutigt fühlen.“

„Mordserie von Rassisten“

Nach Einschätzung der baden-württembergischen Grünen-Spitze hat Deutschland ein „massives Problem mit Rechtsterrorismus“. „Für „Wehret den Anfängen“ ist es längst zu spät“, teilten die Landeschefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand mit. Es sei beängstigend und beschämend, wenn sich Menschen nicht mehr sicher fühlen könnten, weil sie wegen ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihrer Religion ins Fadenkreuz rechter Gewalt gerieten. Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz sprach von einer „regelrechten Mordserie von Rassisten“. „Spätestens jetzt ist klar, dass wir unsere Demokratie und unser Wertesystem verteidigen müssen.“

Alle Informationen zu der Bluttat in Hanau lesen Sie in unserem Newsblog

Ein 43-jähriger Deutscher hatte am späten Mittwochabend im hessischen Hanau zehn Menschen und sich selbst erschossen. Nach Angaben des hessischen Innenministers gibt es Hinweise auf ein „fremdenfeindliches Motiv“. Der Generalbundesanwalt ermittelt demnach wegen des Verdachts auf eine terroristische Gewalttat.

Türkische Gemeinde fordert Untersuchungsausschuss

Der Landes- und Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, forderte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der sich mit dem rechten Terror und dem Rassismus in Deutschland beschäftigt. „Das erklärte Ziel rechtsextremer Terroristen und ihres parlamentarischen Arms, der AfD, ist die Destabilisierung unserer Demokratie und das Herbeiführen bürgerkriegsähnlicher Zustände.“

„Der schreckliche Anschlag in Hanau macht uns fassungslos“, sagte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart. „Es war ein Angriff auf unsere Gesellschaft, auf unsere Freiheit, auf unsere Demokratie. Rechtsextremistische Gewalt zielt auf alles, was uns wichtig ist.“

„Nach der Ermordung Walter Lübckes und dem antisemitischen Attentäter von Halle ist es das dritte tödliche rechtsextreme Attentat binnen eines Jahres“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. „Die Tat darf nicht als Einzeltat eines Psychopathen bagatellisiert werden. Der rechtsextreme Terror in Deutschland hat im Jahr 2020 leider System. Politik, Ermittlungsbehörden, aber auch die gesamte Gesellschaft müssen diesem die Stirn bieten.“

Kundgebung auf dem Schlossplatz

„Jetzt muss Schluss sein mit allen Relativierungen! Es sind keine Einzeltäter, es sind nicht bloß Verrückte“, sagte SPD-Landeschef Andreas Stoch. „Es sind rechtsextreme Terroristen, für die Menschenleben und unsere Demokratie nichts bedeuten. Und der Boden dafür wird von der AfD und anderen Rechtsradikalen innerhalb und außerhalb unserer Parlamente bereitet.“

Das Bündnis „Stuttgart gegen Rechts“ rief zu einer spontanen Kundgebung um 18.00 Uhr auf dem Schlossplatz in der Innenstadt auf. Auch der örtliche Verdi-Bezirksvorstand rief die Menschen in Stuttgart auf, gegen den Terror ein Zeichen zu setzen.

Auch der Start in die heiße Phase der Fastnacht war nicht so unbeschwert wie sonst. „Ein Auge ist mit Tränen gefüllt“, sagte der Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), Roland Wehrle. „Man denkt sich: Das kann doch alles nicht wahr sein? Wie können Leute in dieser Art und Weise Andere zu Schaden kommen lassen?“