Laut der Stadt Weingarten ist der „Blutritt“ normalerweise die größte Reiterprozession Europas. (Archivbild) Foto: dpa/Felix Kästle

Wegen der Coronavirus-Pandemie finden sich beim diesjährigen „Blutritt“ in Weingarten nur wenige Reiter zusammen. Dabei sind zwar erstmals Frauen zugelassen – doch wirklich mitreiten dürfen sie noch nicht.

Weingarten - Ohne Zuschauermengen, ohne Pilger und ohne Frauen zu Pferde: Zum traditionellen „Blutritt“ im oberschwäbischen Weingarten hat am Freitagmorgen coronabedingt nur eine kleine Reitergruppe die Heilig-Blut-Reliquie begleitet. Um Menschenmengen zu vermeiden, war die Route zuvor geheim gehalten worden. Hunderte Zuschauer verfolgten Teile der Prozession und den anschließenden Festgottesdienst aber im Internet. Frauen hatten trotz erstmaliger Erlaubnis wieder keine Chance, als „Blutreiterinnen“ teilzunehmen.

Jahrelang hatte die katholische Kirchengemeinde St. Martin in Weingarten darüber diskutiert, ob auch Frauen die Reliquie auf Pferden begleiten dürfen. Ein Antrag, die nach Angaben der Stadt Weingarten größte Reiterprozession Europas in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen, scheiterte an der fehlenden Offenheit für Frauen. Erst im November 2020 entschied sich der Kirchengemeinderat, „Blutreiterinnen“ zuzulassen - unabhängig von der Kulturerbe-Debatte, wie die Diözese Rottenburg-Stuttgart betonte.

„Interesse von Frauen ist da gering“

Dass bei der coronabedingt kleinen Reitergruppe aus Weingarten dieses Jahr trotzdem nur Männer dabei seien, habe zwei Gründe, sagte der Vorsitzende der dortigen Blutfreitagsgemeinschaft, Christoph Sprißler. Zum einen fehlten Frauen, die mitreiten wollen. Zum anderen stehe im Verein noch eine Satzungsänderung aus.

„Das Interesse von Frauen ist da gering, auch die Zahl der Teilnehmer insgesamt geht zurück“, sagte Sprißler. „Dieses Thema wurde vor allem von außen immer wieder aufgeworfen.“ Außerdem müsse die Reitergruppe im Verein die entsprechende Satzung bei einer Versammlung ändern, um „Blutreiterinnen“ zu erlauben. Das sei bislang coronabedingt nicht möglich gewesen. Er gehe aber davon aus, dass sich dies bis zum nächsten „Blutritt“ ändern werde, sagte Sprißler: „Das wird kommen.“

Hoffnung auf mehr Möglichkeiten

Auch der Pfarrer der Kirchengemeinde St. Martin, Ekkehard Schmid, sagte am Freitag, er hoffe, dass beim nächsten „Blutritt“ Frauen mitreiten dürften. „Die Frauen waren beim Blutritt immer schon das Rückgrat“, betonte Schmid. „Aber sie waren nicht sichtbar.“ Er sehe es als „stimmiges Zeichen“, wenn die Reitergruppen dies „organisch, wie sie das eben auch organisatorisch und programmatisch hinbekommen, Schritt für Schritt, ohne Stress und ohne Spannungen“ ermöglichen.

Schmid betonte zudem, er hoffe, die Prozession könne im kommenden Jahr wieder „als große Gemeinschaft“ gefeiert werden. Beim „Blutritt“ in Weingarten treffen sich am Freitag nach Christi Himmelfahrt normalerweise Tausende Reiter, Musiker und Pilger. Coronabedingt fand die Prozession, die nach Angaben der Organisatoren seit mehr als 900 Jahren gepflegt wird, nun zum zweiten Mal in reduzierter Form statt.

Lesen Sie hier Eindrücke aus dem Jahr 2014: Prozession in Weingarten – Blutritt im Nieselregen

Ein Konflikt um die Teilnahme von Frauen an einer männlichen Traditionsveranstaltung beschäftigt derzeit auch die Justiz im Allgäu. In Memmingen streiten sich der Fischertagsverein und eines seiner weiblichen Mitglieder vor Gericht darum, ob Frauen beim jährlichen Ausfischen des Stadtbachs mitmachen dürfen. Das Memminger Amtsgericht sah in dem Ausschluss von Frauen eine unzulässige Diskriminierung, der Verein legte Berufung gegen das Urteil ein. Am 23. Juni soll vor dem Memminger Landgericht weiterverhandelt werden.