Die Suche nach einem Nachfolger von Reinhard Marx ist spannend. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Führer der katholischen Kirche in Deutschland suchen einen neuen Vorsitzenden als Nachfolger von Kardinal Reinhard Marx. Gefragt ist eher ein Diplomat als erneut eine dominante Figur.

Mainz - Mitten in einer der aufgewühltesten Epoche der neueren Kirchengeschichte sucht die Deutsche Bischofskonferenz einen neuen Vorsitzenden. Nach nur sechs Jahren im Amt hat der Münchner Kardinal Reinhard Marx vor drei Wochen zur allgemeinen Überraschungangekündigt, er werde nicht wieder kandidieren. Das macht den Vorgang, der sonst wohl geräuschlos über die Bühne gegangen wäre, ziemlich kompliziert. An diesem Montag treten die 69 Diözesan- und Weihbischöfe der 27 deutschen Diözesen zu ihrer regulären Frühjahrs-Vollversammlung in Mainz zusammen; die Neuwahl des Vorsitzenden ist für Dienstag geplant, und die Bischöfe untereinander gelten als sehr zerstritten.

Ein „geborener“ oder „gesetzter“ Nachfolger für Marx ist deshalb nicht in Sicht. Der einzige, der als Favorit ins Rennen gegangen wäre, hat bereits abgesagt: Unter Hinweis auf Marx‘ Schreiben an seine Amtsbrüder, nun „sollte die jüngere Generation an die Reihe kommen“, lehnte Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück eine Kandidatur ab. Als 69-jähriger sei er schließlich älter als Marx mit seinen derzeit 66 Jahren, argumentierte der reform-orientierte Bode, der bisher Vize in der Bischofskonferenz ist.

Die Gründe für den Rückzug bleiben Spekulation

Wobei: das mit dem Alter als Argument für seinen Amtsverzicht hat man Marx praktisch nirgendwo in der katholischen Kirche Deutschlands abgenommen. Als Hypothesen – Marx selber hat sich nicht weiter erklärt – kursieren dafür folgende: Der liberale Münchner Erzbischof, der sogar von seinen bayerischen Amtsbrüdern gelegentlich im Regen stehen gelassen wurde, sei des ewigen Richtungsstreits mit seinen konservativen Amtsbrüdern müde oder davon gar zermürbt. Oder Marx habe durch sein bekannt ruppiges Auftreten den Unmut anderer Bischöfe, gerade auch junger, auf sich gezogen.

Irritiert hat Marx‘ Amtsverzicht auch des Zeitpunkts wegen: Vor fünf Wochen hat sich die katholische Kirche in Deutschland auf einen „Synodalen Weg“ begeben. Marx gilt als einer der stärksten Befürworter einer solchen Bewegung zur Kirchenreform; er hat das Verfahren auch im Vatikan durchgeboxt. Angesichts der Mehrheit in der Bischofskonferenz, die in verschiedensten Abstufungen ebenfalls nach Reformen verlangt, gilt es zwar mittlerweile nicht mehr als wahrscheinlich, dass der „Synodale Weg“ scheitert; aber er verliert seinen ranghöchsten Garanten.

Aus dem konservativen Flügel, der wegen der Mehrheitsverhältnisse befürchtet, bei der Neuwahl wieder nicht zum Zug zu kommen, gibt es inzwischen einen bemerkenswerten Vorschlag. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hat angeregt, den Vorsitzenden-Posten in der Bischofskonferenz nicht mehr auf sechs Jahre fest zu besetzen, sondern ihn im Drei-Jahres-Turnus in beispielsweise alphabetischer Reihenfolge unter den deutschen Erzbischöfen rotieren zu lassen. Dann würde auch Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki (63), der als größter Gegenspieler der Reformer gilt, einmal an die Spitze der Bischofskonferenz kommen. Das würde aber auch bedeuten, dass gerade die „Jungen Wilden“, auf die sich heute das Augenmerk richtet, draußen bleiben müssten. Denn sie sind ja „nur“ Bischöfe und keine Erzbischöfe.

Chancenreiche Kandidaten unter den Amtsbrüdern

Unter den 13 Mitgliedern der Bischofskonferenz, die derzeit jünger als 60 Jahre sind und denen die Amtsbrüder trotzdem ein gewisses „Standing“ zubilligen, gelten als besonders chancenreich: Franz-Josef Overbeck (55) aus Essen, der auch Militärbischof ist, und Heiner Wilmer (58) aus Hildesheim. Daneben ist Peter Kohlgraf (knapp 53) zuletzt stärker ins Blickfeld gerückt. Dieser ist seit 2017 Bischof von Mainz und damit Nachfolger von Kardinal Karl Lehmann, der seinerseits 21 Jahre lang die Konferenz geleitet hat.

Es spricht viel dafür, dass die Bischöfe nach dem dominanten Reinhard Marx diesmal einen eher stilleren Vermittler zwischen den Fronten suchen. Er muss die Konferenz nach außen vertreten, darf das aber nicht allzu profiliert tun. Die Diözesanbischöfe, gerade die konservativen, sind sehr auf ihre kirchenrechtlich garantierte Eigenständigkeit bedacht. Der Vorsitzende hat keinerlei Macht, irgendetwas vorzuschreiben; er hat nicht einmal Richtlinienkompetenz.

Dass es tatsächlich zu einem Generationswechsel an der Spitze der Bischöfe kommt, ist auch deswegen zu erwarten, weil zeitgleich mit Marx auch der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, sein Amt abgibt. Der Jesuitenpater führt die Geschäftsstelle seit 1996 sehr geräuschlos und ist auf allen Seiten anerkannt. Der 68-jährige Langendörfer hat in einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur nicht ausgeschlossen, dass die Bischöfe auf der Suche nach einem – jüngeren – Nachfolger neue Akzente setzen könnten. Schließlich müsse der Sekretär der Konferenz kein Priester sein. Kirchenjuristen fügen hinzu, rechtlich spräche auch nichts gegen eine Frau. Aber das wäre wohl zu viel Reform auf einmal.