Bernd-Claus (links) und Mario Schnurr wurden 2001 vom damaligen Untertürkheimer Bezirksvorsteher Klaus Eggert (rechts) verpartnert. Noch immer halten sie Kontakt. Foto: Elke Hauptmann - Elke Hauptmann

Bernd-Claus und Mario Schnurr haben im September 2001 in Untertürkheim ihre Lebenspartnerschaft eintragen lassen. Heute sind sie rechtmäßig verheiratet. Bis zur „Ehe für alle“ war es für sie ein langer Weg.

Untertürkheim Ru nd 1 500 Ehen hat Klaus Eggert im Laufe seiner Dienstzeit bei der Stadt Stuttgart zwischen 1971 und 2014 geschlossen. „Und in den letzten Jahren noc h 149 Lebenspartnerschaften beurkundet“, fügt er voller Stolz hinzu. Mit dem am 1. August 2001 in Kraft getretenen Gesetz – von Rot-Grün im Bund gegen den Widerstand der unionsgeführten Bundesländer durchgesetzt – konnten gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland eine eheähnliche Verbindung in Form der Eingetragenen Lebenspartnerschaft eingehen.

Mit der Umsetzung des Bundesgesetzes habe man sich in Stuttgart sehr schwer getan, erinnert sich der frühere Untertürkheimer Bezirksvorsteher. Lachend erzählt Klaus Eggert von einem überraschenden Anruf wenige Tage vor dem Stichtag: „Der persönliche Referent des damaligen Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster fragte an, ob ich bereit sei, Eingetragene Lebenspartnerschaften vorzunehmen.“ Er habe nicht lange darüber nachdenken müssen. Und wurde – neben seiner Weilimdorfer Kollegin Ulrike Zich – zum einzigen amtlichen Vertreter der Stadt, der homosexuellen Paaren das Ja-Wort ermöglichte. „Allerdings nicht in meiner Funktion als Standesbeamter, sondern ‚nur’ als Bezirksvorsteher“, räumt Klaus Eggert ein.

Noch heute klingt in seinen Worten Unverständnis über die verordnete Ungleichbehandlung mit. „Mir war es umso wichtiger, dass sich die Schwulen und Lesben nicht als Menschen zweiter Klasse fühlen“, betont Klaus Eggert. Den formellen Akt habe er deshalb nicht in irgendeinem Raum des Bezirksamtes vorgenommen, sondern bewusst in jenem Saal, in dem üblicherweise die standesamtlichen Trauungen stattfinden. „Das war damals keinesfalls eine Selbstverständlichkeit.“ Über die Anfeindungen, denen er sich wegen seiner liberalen Haltung gelegentlich in Untertürkheim ausgesetzt sah, mag Klaus Eggert nicht reden.

Unvergessliche Momente

Die al lere rste Feier ist dem heute 70-Jährigen u nvergessen geblieben: „Es waren zwei Frauen aus Bad Cannstatt am 13. August 2001.“ Aber auch der große Tag von Bernd-Claus und Mario Schnurr am 27. September 2001 ist ihm noch gegenwärtig – „es war eine sehr bewegende Zeremonie mit Drehorgelmusik“. 18 Jahre später schauen sie alle drei gemeinsam Fotos davon an. Die Erinnerungen sprudeln nur so aus ihnen heraus.

Für das Paar aus Hofen war die „Verpartnerung“ ein „wichtiger Schritt“ nach 17 Jahren Beziehung, erzählt Mario Schnurr. Nicht nur aus rein persönlichen Gründen, sondern auch als politisches Zeichen. „Jahrelang hat die Community für dieses Recht gekämpft. Es geht auf den ungeheuren Mut vieler Menschen zurück, die sich gegen Konventionen auflehnten. Deshalb war es für uns selbstverständlich, dass wir dieses Recht auch für uns in Anspruch nehmen.“ Nur wo, wenn es am Heimatort nicht möglich ist? „Wir hatten weder zu Untertürkheim, noch zu Weilimdorf eine Verbindung.“ Die Wahl auf den Neckarstadtbezirk fiel eher aus pragmatischen Gründen, gibt Mario Schnurr offen zu. „Es war ein Glückstreffer. Wir haben uns bei Herrn Eggert schon im Vorgespräch gut aufgehoben gefühlt.“

Damals sei man als Homosexueller noch auf sehr viel Unverständnis gestoßen, sagt Bernd-Claus Schnurr. Er hat seinen Geburtsnamen abgelegt und den seines Mannes angenommen. Eine mutige Entscheidung: „Damit wurde mein Schwulsein offiziell. Das ist auf Arbeit nicht gut angekommen“, erzählt der frühere Heilerziehungspfleger sichtlich bewegt. Das Paar kennt Beispiele, wo der Arbeitgeber – nicht nur aus dem kirchlichen Bereich – daraufhin die Kündigung aussprach. Viele gleichgeschlechtliche Paare hätten folglich ihre Liebe aus Sorge vor möglichen Nachteilen verheimlicht. Auch Klaus Eggert hat solche Erfahrungen gemacht. „Manche Verpartnerungen fanden ganz ohne Angehörige oder Freunde statt. Einige Paare hatten ausdrücklich um Diskretion gebeten.“

Er sei zwar immer offen mit dem Thema Homosexualität umgegangen, sagt Mario Schnurr bestimmt. Und dennoch habe er, der als Lehrer arbeitete, sein Privatleben nicht an die große Glocke gehängt. Gängigen Schwulen-Klischees entspricht das Paar ohnehin nicht. Von wegen schrill und bunt, für Federboas und Tangas gibt es im Leben der beiden Männer keinen Platz. Dafür aber für liebevolle Worte, Gesten tiefer Zuneigung und bedingungslose Unterstützung. Dieser eher stille Umgang miteinander mag ihrer Biografie geschuldet sein: Aufgewachsen sind beide in der schwäbischen und badischen Provinz, wo vor der Sünde gewarnt wurde und Schwulsein noch immer nicht akzeptiert wird. Lange Zeit verbargen sie, dass sie sich zu Männern hingezogen fühlten – mit 71 und 67 Jahren gehören sie zu jener Generation, die noch Repressalien fürchten musste: In Deutschland wurde der Paragraf 175, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, offiziell erst 1994 abgeschafft.

Heute kommt ihnen die Formulierung „mein Mann“ ganz selbstverständlich über die Lippen. Bernd-Claus und Mario Schnurr sind mittlerweile rechtmäßig verbundene Eheleute, am 3. Mai 2018 haben sie geheiratet. Die „Ehe für alle“ war im Oktober 2017 in Kraft getreten. Die Feier fand diesmal auf dem Standesamt in ihrem Heimatstadtbezirk Mühlhausen statt. Im Gegensatz zu 2001 sei alles viel unbürokratischer gewesen, sagt Mario Schnurr. Und preiswerter. Die „Verpartnerung“, weiß Klaus Eggert, hatte damals gut das Dreifache an Gebühren gekostet. „Obwohl der Aufwand der gleiche war wie bei standesamtlichen Trauungen.“

Bernd-Claus und Mario Schnurr erzählen ohne Verbitterung von dem Kampf, den es sie gekostet hat, das Leben so zu leben, wie es für sie normal ist. Mit einer gewissen Zufriedenheit stellen sie rückblickend fest: „Es hat sich viel verbessert in den letzten Jahren.“ Die Gesellschaft sei offener geworden. „Aber dass jeder lieben kann, wen er möchte, ist noch immer nicht selbstverständlich.“