Sie erinnern an Saugroboter: bei der Installation „Empathy Swarm“ von Katrin Hochschuh und Adam Donovan wuseln leuchtende Objekte durch den Raum. Foto: Hochschuh, Donovan/The Rodina

Das ZKM Karlsruhe zeigt in seiner Ausstellung „BioMedien“, wie die Technik menschliches Leben imitiert. Da kann es einem sehr unbehaglich werden, denn in der Ära der Biomedien werden Menschen überflüssig.

Karlsruhe - So schaut sie also aus, die schöne neue Welt. Anstelle von Kindern, die fröhlich durch die Räume rennen, wackeln Roboter durch die Gegend. Pepper nimmt einen sofort ins Visier. Das kleine Kerlchen aus weißem Kunststoff ist neugierig und schaut einem direkt in die Augen. Alles, was Pepper fokussiert, wird umgehend auf einen Monitor übertragen.

Die Technik imitiert menschliches Leben

Es herrscht reges Treiben im Karlsruher ZKM, das sich mit Künstlicher Intelligenz befasst und mit Medien, die sich wie Menschen, Tiere, Zellen verhalten – sogenannten Biomedien. So fährt ein Schwarm leuchtender Objekte, die an Saugroboter erinnern, kreuz und quer durch den Raum. Weichen sie den Füßen aus – oder doch der Mensch der Maschine?

Ein passendes Bild, denn das Zusammenleben mit lebensähnlichen Gerätschaften ist längst Alltag. Man staunt, wie passioniert Künstler wie Forscher hochkomplexe Systeme ersinnen, die mit menschlichem Handeln in Konkurrenz treten. Peter Weibel, der Direktor des ZKM,hat selbst Konkurrenz bekommen durch einen Roboter, der durch die Ausstellung gleitet und noch schneller spricht, als Weibel es tut.

Der ZKM-Direktor hat Konkurrenz bekommen

Der Forschergeist scheint mitunter stärker als die Frage nach dem Sinn von manchem Projekt. Wenn robotische Glasskulpturen auf die Bewegung von Menschen reagieren, ihre Farben wechseln und Töne erzeugen, ist das zwar hübsch anzuschauen, trotzdem vermisst man den Hintersinn. Hier sagt eine gigantische Großinstallation voraus, wie Gurkenpflanzen wachsen werden, dort wollte man Darwins Vorstellung der Evolution sichtbar machen und hat virtuelle Objekte aus Würfeln programmiert, die zeigen, warum sich etwa eine bestimmte Sprungtechnik bei Tieren durchgesetzt hat.

Das Leben als Chemie wird abgelöst vom Leben als Information

Es ist ein gigantischer Technikpark, der hier aufgefahren wurde und bei dem man durchaus den Eindruck bekommen kann, dass man als kleines Menschlein schon bald den Wettlauf mit diesen innovativen Biomedien verlieren könnte. Die Ausgangsthese der Ausstellung lautet, dass das Leben als Chemie abgelöst werde vom Leben als Information. In der „Ära der Biomedien“ würden Wesen aus Fleisch und Blut imitiert von Organismen, die von KI und Algorithmen animiert sind. Zwischendrin ist man fast dankbar für so schlichte und prägnante Arbeiten wie die von Samuel Bianchini, der einen Fernseher aufgehängt hat, dessen langes Stromkabel sich biegt und beugt, als würden die TV-Bilder wie eine tote Maus durch den Leib einer Schlange wandern. Charmant altmodisch wirken auch die Flokati-Puscheln „New Species“ aus dem Jahr 1972 von Gunter Weseler, die wie Tierchen pulsieren und eigenwillige Knister- und Ratterlaute von sich geben.

Ein Flokati-Puschel atmet und macht Geräusche

Man kann aber auch mit VR-Brille auf der Nase Glöckchen hören oder Würmern zuschauen, die durch die Luft gleiten. Dann soll ein Gedicht verfasst werden, das auf die eigene Stimmung reagiert – aber versagt die Technik, oder bedient man sie falsch? Das ist das Problem dieses ehrgeizigen Unterfangens: Man hat zahllose Kooperationspartner gewonnen und spricht sicher ein jüngeres Publikum an, in der Umsetzung zeigen sich aber Defizite. Keine Hinweise, ob Arbeiten interaktiv sind, ob man Knöpfe drücken oder Signale geben muss – oder das System gerade offline ist. Es sind auch viel zu viele Stationen und allzu lange Texte, die sich selbst ein motiviertes und spezialisiertes Publikum kaum erarbeiten kann. Es ist unübersehbar: Das Kuratorenteam um Peter Weibel wollte sich in erster Linie profilieren und seine Expertise von Impulsradartechnologie bis Supraorganismen demonstrieren. In die Perspektive des Publikums hat man sich dagegen nicht hineinversetzt.

Die Kuratoren wollen sich profilieren

Der KI-Tisch sagt die Zukunft voraus

Auch die Verbindung von künstlerischen und wissenschaftlichen Projekten erschwert die Rezeption. So darf man Stephan Henrich und Hassan Masri durchaus misstrauen. Sie haben einen beweglichen KI-Tisch konstruiert, auf den man die Hand auflegen kann, um dann aus den Linien, die er zeichnet, das eigene Schicksal herauszulesen. Wenn dagegen eine Wand, die sich wie ein Brustkorb ausdehnt und zurückzieht, angeblich auf den Atem des Betrachters reagiert, ist das dann Fortschritt oder künstlerische Behauptung? So bleibt am Ende dieses Rundgangs durch die nicht nur schöne neue Welt der Eindruck, dass Künstliche Intelligenz zunehmend ein Eigenleben führt – und wie in dieser Ausstellung uns Menschen im Grunde nicht mehr benötigt.

Roboter im ZKM

Roboter
Wer sind unsere Weggefährten von morgen? Im ZKM kann man diverse humanoide Roboter kennenlernen: Nao kann Fußball spielen und ist für die Betreuung von Alzheimerpatienten konzipiert. Paro ist eine Robbe zum Kuscheln. Pepper zeichnet auf, was er sieht. Die Künstlerin Stephanie Dinkins hat sich mit „Bina 48“ unterhalten für ihre Videoinstallation.

Info
Die Ausstellung „BioMedien. Das Zeitalter der Medien mit lebensähnlichem Verhalten“ läuft bis zum 28. August im ZKM Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, geöffnet ist die Schau Mi–Fr 10–18 Uhr, Sa, So 11–18 Uhr, www.zkm.de. adr