Unterhaltung auf hohem Niveau: Das Konzert der Jazz-Urgesteine im Sindelfinger Pavillon Foto: Bernd Epple

Jazzfrühschoppen am Muttertag: Fünf sehr besondere Musiker begeistern im Sindelfinger Pavillon das Publikum. Zu den Besonderheiten der Künstler gehört nicht nur ihr Können. Auch ihre Geschichte ist bemerkenswert und: dass es ihren Auftritt überhaupt gab.

Mit rund 80 Besuchern war der Pavillon am Calwer Knoten in Sindelfingen kurz vor elf schon gut gefüllt, was so am Muttertagsmorgen nicht unbedingt zu erwarten war. Es roch nach Weizenbier, Weißwürsten mit Brezeln – und guter Jazz, wenn mal so will, lag auch in der Luft! Kulinarisches und Musikalisches sollten, wie sich zeigte, eine wunderbare Melange eingehen.

Ein Auftritt von Seltenheit

In der Garderobe scharrten die Spielkameraden wohl schon mit den Hufen bis sich die Schlange vor der Theke endlich auflöste, jeder Besucher seinen (Ess-) Platz einnahm und die Herren Musiker endlich loslegen konnten. Zuvor gab es bei der Anmoderation noch eine kleine Einführung von Pit Bäuerle von der IG Kultur, und spätestens dabei wurde jedem bewusst, was für eine Besonderheit der Auftritt dieser BB Allstars ist.

Foto: Bernd Epple

Diese Formation zusammen zu bekommen, war nämlich nicht ganz so einfach. Schließlich reisen die Musiker in verschiedensten Besetzungen von einem Gig zum nächsten. Andi Maile etwa, der SWR-Bigband-Saxofonist, kam frisch von einem Auftritt aus Kaiserslautern zurück, um nach dem Frühschoppen gleich zur nächsten Veranstaltung zu eilen. „Warum denn in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah“, freute sich Bäuerle, als er an die Band übergab. Wie recht er hatte, bewiesen Andi Maile (Tenorsaxofon), Philip Konowski (E-Gitarre), Branko Arnsek (Kontrabass), Jogi Nestel (Schlagzeug) und Martin Johnson (Stage-Piano) im Handumdrehen.

Sehr alte Freunde machen Musik

Der Begriff „Alte Schule“ bekommt hier eine Doppelbedeutung: Nicht nur, dass die 60er-Jahrgänger einiges an musikalischer Erfahrung auf dem Buckel haben, sie sind teilweise auch ehemalige Schulkameraden aus dem Böblinger Albert-Einstein-Gymnasium und haben allesamt in Bern ein Musikstudium absolviert. „Wir sind alle sehr alte Freunde, die zusammen in alten Geschichten schwelgen können“, schwärmte Johnson zu Beginn. Während seiner gut gelaunten Moderation erfuhr das Publikum einiges über den Werdegang der seit den 1980er-Jahren freundschaftlich verbundenen Formation, die eigens zu diesem Jazzfrühschoppen zusammenkam.

Heute sind die fünf gestandenen Jazzer Musikproduzenten, Dozenten, Komponisten, Landesjazzpreisträger und vor allem exzellente Instrumentalisten! Johnson konnte seine Bewunderung über die Fähigkeiten von Andi Maile („Mein Hero – er spielt wie kein anderer!“) oder Philip Konowski („Einer der versiertesten Gitarristen, die ich kenne“) kaum zurückhalten. Was die beiden an spannenden Licks und Spieltechniken an diesem Vormittag aufboten, war aller Ehren wert.

Waren es vor der Pause vorwiegend Standards, die vielen Jazzfans geläufig sind, kamen danach auch neuere Kompositionen zum Zug. Pat Methenys „James“ war maßgeschneidert für Konowskis facettenreiches Gitarrenspiel, „Walk Tall“, ein Paradestück von Nils Landgren, verführte Maile zu spitzen Highnote-Phrasen und Nestel glänzte mit Schlagzeug-Solo und rap-artig vorgetragenem Text, als er „To My Family“ von Doug Hammond präsentierte. „Flip Side“ von Johnsons Common-Sense-Projekt bildete den Abschluss des Jazzfrühschoppens, der schöner nicht hätte sein können.

Nur strahlende Gesichter

Musiker dieses Genres, konnte man nach dieser Darbietung feststellen, werden mit dem Alter immer besser, auch wenn Nestel im Anschluss bescheiden konstatierte: „Die Allstars hätten genauso mit Jüngeren besetzt werden können, denkt man beispielsweise an einen Jo Ambros und andere Shooting Stars aus dem Landkreis“ und fügte schmunzelnd hinzu: „Aber eigentlich sind sie alle durch unsere Hände gegangen.“ Eine launige Anspielung auf die Musikschulen, an denen Konowski, Johnson und er selbst lehr(t)en. Es darf festgehalten werden: Der Landkreis ist ein Aushängeschild in Sachen Jazz und beim Konzert der „Oldstars“ sah man nur strahlende Gesichter!