Nejla Causevic informiert sich über die FOM-Hochschule. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Die Berufsorientierungsmesse Stuzubi hat erstmals nach dem Lockdown wieder als Präsenzveranstaltung in Stuttgart stattgefunden – und war bestens besucht.

Stuttgart - Das Ende der Schlange ist nicht zu sehen. Bis zur Mercedesstraße stehen Jugendliche und Anfang- bis Endzwanziger, um in die Carl-Benz-Arena zu kommen – allein, mit Eltern oder Freunden. Drinnen findet die Stuzubi, die Berufsorientierungsmesse, erstmals wieder live nach dem Lockdown statt. Sie ist ausgebucht. Die Grüppchen warten auf den Einlass im Zeitfenster: Pro zwei Stunden können sich maximal 400 Personen an den Ständen von 38 Ausstellenden – coronagerecht mit Maske und getestet oder genesen oder geimpft – über die Wege zum beruflichen Glück informieren. Die Bandbreite der von Firmen, Ämtern, Instituten und Hochschulen präsentierten Ausbildungen oder Studienfächern reicht von Technik, Bau, Chemie, Umwelt und Landwirtschaft über Recht, Verwaltung, Bildung, Gesundheit, Sport, Tourismus, Pädagogik und Soziales bis Design, Management, Banking, Handel und Sicherheit. Letzteres lockt einige an – bei Zoll, Bundeskriminalamt, Bundes- und Landespolizei wird angestanden. „Schon im ersten Slot waren es über 50 Besucherinnen und Besucher“, so Thomas Seemann. Der Pressesprecher des Hauptzollamts Stuttgart ist mit drei Auszubildenden des mittleren und gehobenen Diensts da, die ihre Erfahrungen kundtun. „Wir sind nicht nur am Flughafen, wir bieten viele Berufe in unterschiedlichsten Bereichen.“ Vor allem nach dem Dualen Studium fragen viele. „Einige haben die Zeit zu Hause genutzt, um sich vorab bestens zu informieren“, lobt Seemann.

Zeit vom Lockdown für Reflektion genutzt

Das wird auch am Stand gegenüber, bei der Freien Dualen Akademie für Pädagogik, bestätigt: „Bei uns war bisher nicht ganz so viel los, aber wer kommt, ist wirklich interessiert an sozialen und pädagogischen Berufen, vor allem am Lehramt.“

Die Besucherin Nejla Causevic schildert, dass in der Coronazeit viel über das Leben und ihre Zukunft reflektiert habe. „Es war auch eine Zeit des persönlichen Wachstums“, so die Plochingerin. Die 17-jährige Schülerin steuert den Stand der FOM-Hochschule an. „Ich interessiere mich für Wirtschaftspsychologie und klassische Betriebswirtschaftslehre.“

Auch die Brüder Andrija und Luka Savicic wissen, was sie wollen. Vor wenigen Jahren kamen sie aus Bosnien. In bestem Deutsch schwärmen sie von ihrer Affinität für alles Technische. Da das Zeugnis seines Heimatlandes nicht anerkannt wurde, hat der 20-jährige Andrija in kürzester Zeit den Abschluss der Hauptschule und der Realschule nachgeholt, macht nun auf dem Berufskolleg die Fachhochschulreife, um dann „etwas mit Elektrotechnik oder Mechatronik“ zu studieren. Der 14-jährige Luka steht vor dem Realschulabschluss, will weitermachen – und Mathematik studieren. „Ich begleite meinen Bruder, sehe, was es so gibt.“ Die Lockdowns hätten sie gut überstanden. „Mein Terminplan war so voll, es war eine willkommene Pause, um über alle Ziele nachzudenken – und auch Stoff zu wiederholen“, sagt Andrija.

Frustriert nach dem langen Lockdown

Anders sieht es ein 14-Jähriger. Die Coronazeit sei frustrierend gewesen. „Keine Freunde, nur Unterricht am Bildschirm, da schaltet man ab“, sagt er. „Ich habe keinen Schimmer, was ich später machen will.“ Seine Mutter stupst ihn an. Sie sagt: „Ich habe angeregt, hierher zu kommen. Man muss die Kinder aus der Lethargie holen.“ Weniger unentschlossen ist eine „bald 15-jährige“ Stuttgarterin, die mit ihrer Mutter vor der „Jobwall“ mit den Stellenanzeigen haltmacht. Architektin oder Goldschmiedin könne sie sich vorstellen. „Corona war schlimm“, sagt die Realschülerin. „Keine Freizeit, kaum Freunde sehen. Und in der Schule gab es viel mehr Aufgaben. Was man sonst im Unterricht macht, kam als Hausaufgaben noch oben drauf.“ Corona habe alle vor den Kopf gestoßen, Pläne durcheinandergebracht, meint Antonia, die das Gymnasium vor dem Abi verließ. Die 18-Jährige aus Asperg freut sich sehr, „hier sein zu können“. Live mit potenziellen Arbeitgebern oder Hochschulvertretern zu sprechen sei viel besser, als sich online oder per Zoom zu bewerben. „Man kann individueller nachfragen.“ Es sei quasi ein Face to Face mit der Zukunft.

Unterricht „live“ bringt mehr

Dass „Live“ mehr Früchte trägt, betonen auch Martina Wille und Jutta Dietrich von der Agentur für Arbeit Stuttgart. Vor allem in der Haupt- und Realschule sei durch Corona viel berufliche Beratung entfallen. „Ich arbeite gerne mit Skizzen, auf denen ich die beruflichen Wege aufzeichne. Über den Bildschirm funktioniert das nicht so“, sagt Wille. „Wir versuchen, nun wieder in die Schulen zu gehen.“ Dietrich nickt. Gymnasiasten hätten die Schule früher verlassen, manche das Studium aufgegeben oder auf Eis gelegt. „Da ist es wichtig, wieder vor Ort zu sein.“