Fühlt sich missverstanden: der britische Schauspieler und Berlinale-Jury-Präsident Jeremy Irons Foto: dpa/Jens Kalaene

Der Jury-Präsident Jeremy Irons ist unter Druck wegen Diskriminierungsvorwürfen und geht in die Offensive – eher er wie seine Co-Juroren an große, alte Filme erinnert.

Berlin - Die Jury-Pressekonferenz der Berlinale vor Filmjournalisten aus aller Welt beginnt mit einem Paukenschlag: Jeremy Irons (71, „Wiedersehen mit Brideshead“) rechtfertigt sich. Im Vorfeld des Festivals tauchten frühere Aussagen von ihm auf, die nahelegten, er spiele sexuelle Belästigung herunter und sei gegen die die Homo-Ehe sowie gegen Abtreibungen. Die Hauptstadtblätter „Tagesspiegel“ und „taz“ griffen das Thema aktuell auf.

Dürfen Männerhände auf weibliche Pos?

Auch wenn mancher Satz aus dem Zusammenhang gerissen worden sein mag, wirken Irons‘ Einlassungen doch wie die eines typischen weißen alten Mannes. 2011 sagte er dem britischen Magazin Radio Times: „Wenn ein Mann einer Frau die Hand auf den Hintern legt, kann jede Frau, die etwas auf sich hält, damit umgehen.“ Er verkennt, dass jede unerwünschte Berührung als Übergriff empfunden werden kann.

Irons hat sich mehrfach für seine Aussagen entschuldigt. Darauf verweist auch der Festivalleiter Carlo Chatrian. In der Pressekonferenz nun möchte Irons mit seinem dröhnenden Bass und seinem feinen englischen Akzent „ein für allemal klarstellen“: Frauen müssen vor sexueller Belästigung geschützt werden, am Arbeitsplatz wie Zuhause, er begrüße die Legalisierung der Homo-Ehe und unterstützte mit ganzem Herzen das Recht von Frauen, sich für eine Abtreibung zu entscheiden. „Ich freue mich darauf, nun Filme anzuschauen, die uns dazu provozieren, Vorurteile zu hinterfragen.“

Filme, die berühren

Er wirkt ehrlich besorgt, was ihm als Schauspieler natürlich nicht schwerfällt. Seinen ersten Berlinale-Auftritt hatte Irons 2011: In dem Finanzkrisen-Drama „Margin Call“ spielte er einen zynischen Chef- Investmentbanker, der sich und sein Vermögen rechtzeitig in Sicherheit bringt.

Gleich die erste Frage lenkt die Aufmerksamkeit auf den Kern dessen, worum es beim Festival eigentlich geht: Welcher Film sie wirklich umgehauen habe, möchte eine kandische TV-Journalistin von den Juroren wissen. „Als Kind habe ich ,Bambi‘ gesehen“, sagt die deutsche Produzentin Bettina Brokemper. „Da haben Väter geweint, was sie sonst nie taten, und ich dachte: Wenn ein Film das schafft, Leute so zu berühren, dann möchte daran teilhaben.“ Die Französin Bérénice Bejo nennt „Singing in the Rain“, „Filme, die Gefühle in mir auslösen“. Und Irons? Er mag „Filme mit Herz“ und besonders einen: Charlie Chaplins „Lichter der Großstadt“.

Die Jury:

Jeremy Irons Der 71 Jahre alte britische Schauspielstar ist Jury-Vorsitzender.

Bérénice Bejo Die Franko-Argentinierin wurde mit dem Film „The Artist“ bekannt.

Kenneth Lonergan Der US-Regisseur und Autor schrieb Drehbücher für Martin Scorsese.

Bettina Brokemper hat als Produzentin schon mit Lars von Trier und Margarethe von Trotta gearbeitet.

Kleber Mendonça Filho Sein erster Film „O Som ao Redor“ wurde mit vielen Preisen bedacht.

Luca Marinelli Der Italiener spielte in „La Grande Bellezza – Die große Schönheit“.

Annemarie Jacir „Das Salz des Meeres“ machte die Regisseurin bekannt.