Die Polizei warnt vor den Trickbetrügern. Foto: dpa - dpa

Mit mehr als 300 Anrufen allein im März dieses Jahres reißt die Welle von Telefonbetrügereien nicht ab. Laut der Kriminalstatistik waren es im Jahr 2018 insgesamt 872 Anrufe.

StuttgartManchmal versteht auch Rüdiger Winter die Welt nicht mehr, obwohl ihm als Chef der Stuttgarter Kriminalpolizei kaum etwas Menschliches fremd ist. „Da stehen wir bei einem Opfer vor der Tür, Kriminalbeamte in Zivil und Uniformierte, und werden mit Gegenständen beworfen“, berichtet er vom Einsatz bei einem Senior, der von Betrügern angerufen war. Er hing noch am Telefon, am anderen Ende der Leitung war das Problem: Der Mann telefonierte mit Gaunern, die behaupteten, sie seien von der Polizei. „und das machen die so hartnäckig, dass er uns dann wegjagen wollte: Wir seien nicht die richtige Polizei, mit der telefoniere er gerade“, berichtet Winter bei der Präsentation der Kriminalstatistik für das vergangene Jahr. Er greift dieses Deliktfeld heraus, weil ein starker Anstieg verzeichnet wurde: Mit der Behauptung, von der Polizei zu sein, haben Betrüger im vergangenen Jahr bei 872 Stuttgartern angerufen. Landesweit starteten sie 7253 Versuche. Die Anrufer behaupten, das Vermögen des Opfers sei in Gefahr und überreden vorwiegend ältere Menschen dazu, einem Boten Geld zu übergeben. Die Polizei habe viel unternommen, um diesem Phänomen Herr zu werden. Als erstes habe man Kontakt zu den Münchner Kollegen aufgenommen, die ihrerseits wieder mit der türkischen Polizei kooperierten. Denn die meisten Betrüger, die mit der Masche „falscher Polizeibeamter“ arbeiten, würden über Callcenter in der Türkei arbeiten. 19 solcher Zentren seien durch die Zusammenarbeit identifiziert und geschlossen worden.

Inzwischen arbeitet die Polizei deutschlandweit zusammen gegen die falschen Beamten: „Das schleswig-holsteinische Landeskriminalamt hat zum Beispiel einen Spezialisten, der Stimmen vergleichen kann“, sagt Winter. Mit dessen Wissen ließen sich Zusammenhänge zwischen einzelnen Taten erkennen. Von den 872 in Stuttgart bekannt gewordenen Fällen waren nur neun erfolgreich. Dennoch wurde fast drei mal so viel Beute gemacht wie im Jahr davor. Die Täter nahmen den vorwiegend älteren Opfern 546 095 Euro ab. Die Polizei hat das Thema beim Dezernat für organisierte Kriminalität angesiedelt, betont der Polizeipräsident Franz Lutz: „Da gehört es hin, denn es geht um internationale Strukturen.“ Eine Gruppierung konnte im Herbst 2018 ausgemacht werden. Im Raum Ludwigsburg saß eine Gruppe, die die Logistik hinter den betrügerischen Anrufen organisierte. Mindestens eine Tat in Stuttgart und vier weitere Fälle aus dem Südwesten konnten so aufgeklärt werden. Doch es herrscht weiter Alarm: Allein im März wurden in Stuttgart 300 Anrufe von Betrügern gemeldet.

Fakten aus der Kriminalstatistik

Gesamtzahl: Polizeipräsident Franz Lutz freut sich über die Kriminalstatistik für das vergangene Jahr: 53 828 Straftaten sind darin erfasst, das sind 427 Fälle oder 0,9 Prozent weniger als im Jahr zuvor – ein Tiefstwert der zurückliegenden zehn Jahre. Die sogenannte Häufigkeitszahl, die ausdrückt, wie viele Straftaten sich pro 100 000 Einwohnern ereignen, ist auf 8507 gesunken.

Einbruch: Jahrelang hat das Thema sowohl die Stuttgarter als auch die Polizei gequält: 2014 war mit 1277 Fällen der höchste Wert aller Zeiten erreicht. Inzwischen sank die Zahl auf die Hälfte: 619 Einbrüche bearbeitete die Stuttgarter Polizei im Jahr 2018, der tiefste Wert seit zehn Jahren.

Polizei als Opfer: Auch Polizisten können Opfer werden. In 1974 Fällen wurde jemand gegen Beamte tätlich. Die Zahlen könne man aufgrund einer Neuerung nicht mit denen des Vorjahres vergleichen: Der Tatbestand des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte wurde neu ins Strafgesetzbuch aufgenommen.

Sexualstraftaten: Die Zahl der Sexualstraftaten ist auf dem gleichen Stand wie im Jahr 2015. Es wurden 760 Fälle bearbeitet. Der Anstieg gegenüber 2017 sei unter anderem damit zu begründen, dass die Bereitschaft, Übergriffe anzuzeigen, gestiegen sei.

Drogen: Und noch eine Rekordzahl steckt in der Statistik, dieses Mal ein Negativrekord: 6007 Drogendelikte stehen im Rückblick der Polizei auf das vergangene Jahr. Das sind so viele wie seit 1984 nicht mehr. An den Folgen ihres Drogenkonsums starben in Stuttgart im vergangenen Jahr 15 Menschen.