Mobilität soll für Menschen mit wenig Geld von Mai an günstiger werden. Foto: Lg/Kovalenko

An die 112 000 Menschen könnten in Stuttgart von einer Preissenkung profitieren. An dieser übt die Linke Kritik, denn städtische Beschäftigte fahren kostenlos, Empfänger von Wohngeld nicht.

Das Deutschlandticket, das vom 1. Mai an den Nahverkehr in der Republik revolutionieren soll, hat unmittelbar Auswirkungen auf das Stuttgarter Sozialticket. Sein Preis sinkt um 35 Prozent, seine Gültigkeit wird in einer Übergangsphasen vom Stuttgarter Stadtverkehr (Verbundzone 1) auf den gesamten Verkehrsverbund Stuttgart ausgeweitet, die Stadt schießt dazu in diesem Jahr bis zu 6,65 Millionen Euro zu.

Linksbündnis wollte Vertagung

Der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats hat die Änderungen am Mittwoch gebilligt, aus dem Linksbündnis kamen drei Enthaltungen, denn dieses pochte auf Vertagung, fordert eine Strukturdebatte und deutlich günstigere Preise. Angesichts eines Null-Euro-Tickets für alle städtischen Beschäftigten von Mai an seien 28,50 Euro (statt bisher 37,85), also der halbe Preis des Deutschlandtickets, für das neue Sozialticket eine „sozial ungerechte Lösung“, so Luigi Pantisano vom Linksbündnis.

Wohngeldreform lässt Berechtigtenzahl wachsen

Durch die Wohngeldreform der Bundesregierung hat sich der Kreis der Anspruchsberechtigten in der Landeshauptstadt von rund 75 000 auf bis zu 112 000 Menschen erhöht. Den Zugang zum Ticket eröffnet die Stuttgarter Bonuscard, die beantragen kann, wer Sozialleistungen (Bürgergeld) oder Wohngeld bezieht. Neben Stuttgart gibt im VVS nur der Landkreis Göppingen ein Sozialticket aus.

Vom bisherigen Stuttgarter Sozialticket setzte der VVS, so dessen Geschäftsführer Horst Stammler, 2022 rund 134 000 ab. Es handelt sich um eine Monatskarte. 2019, vor Corona, waren es 210 000 Tickets. Den Zuschuss hatte die Stadt auf fünf Millionen Euro pro Jahr gedeckelt, 2022 flossen wegen des 9-Euro-Tickets nur 3,54 Millionen Euro.

Mit der absehbaren Einführung des 49-Euro-Deutschlandtickets hatten mehrere Fraktionen 2022 auf eine Reform des Sozialtickets gedrungen. Die SPD wollte Mitte Oktober bereits einen Abopreis von 24,50 Euro, CDU- und Puls-Fraktion forderten ebenfalls einen 50-Prozent-Rabatt auf das Deutschlandticket. Das Problem dabei: Dieses Ticket gibt es nur als Jahresabo, und für eine derartige Umstellung müssten Daten des Sozialamts mit den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), die die Fahrkarten ausgeben, abgeglichen werden. Das sei nicht trivial und nicht bis 1. Mai umsetzbar, erklärten Stammler und OB-Mobilitätsreferent Martin Körner. Daher wolle man als Zwischenschritt ein Sozialticket mit dem halben Preis des Deutschlandtickets und statt der bisher stadtweiten die VVS-weite Gültigkeit. Mit der Debatte zum Doppelhaushalt 2024/25 und der bis dahin gewonnenen Erkenntnis über die Nutzung soll dann der zweite Schritt zu einem Sozialticket mit bundesweiter Gültigkeit gegangen werden. Dann könnte ein Zuschuss von zehn bis 12 Millionen Euro nötig sein.

„Sozialpolitischer Wumms“

Von allen Fraktionen wurde der Vorschlag als gute Lösung gelobt, Christoph Ozasek (Puls) sprach in Anspielung auf ein Zitat von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von einem „sozialpolitischem Wumms“, die von Luigi Pantisano zuvor eröffnete Gerechtigkeitsdebatte sei „deplatziert“. Stammler sprach daraufhin von einem „Mehrfachwumms“. Stuttgart sei die erste Stadt, die ein Ticket dieser Art einführe.

Linksbündnis will passgenaue Angebote

Luigi Pantisano (Linke) sieht einen großen Graben, den der Rat zum Beispiel mit dem Null-Euro-Ticket für Stadtbeschäftigte (Kosten: bis zu 18 Millionen pro Jahr) und dem Sozialticket ziehe. 24,50 Euro seien zu viel für Menschen ohne Einkommen. Man müsse über 9 oder 19 Euro diskutieren und darüber, ob eine Staffelung des Preises für die Stuttgart-Zone, den VVS und das Deutschlandticket sinnvoller sei. Menschen mit wenig Geld wollten nicht unbedingt weit fahren. Den Einwand von Armin Serwani (FDP), beim neuen Bürgergeld seien rund 45 Euro für Mobilität vorgesehen, der Preis passe also, ließ Pantisano nicht gelten. Mit den 45 Euro müsse auch zum Beispiel eine Radnutzung oder -reparatur beglichen werden.