Joshua Kimmich gilt als engagierter Profi mit Sinn für Verantwortung, seine Haltung überrascht. Foto: imago/MIS/e

Der Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich vom FC Bayern München ruft mit den Aussagen zu seinem bisherigen Impfverzicht Unverständnis und Kritik hervor.

Stuttgart - Auch Julian Leist sind die Aussagen von Joshua Kimmich am Samstag natürlich nicht entgangen. Der Oberligakicker der Stuttgarter Kickers spricht aus, was viele im Zusammenhang mit der bisherigen Impfverweigerung des Bayern-Profis denken: „Natürlich ist es Joshuas freie Entscheidung, aber er liefert vielen ein Alibi. Nicht nur junge Fußballer sagen sich: Wenn so jemand Bedenken hat, wenn sich solch ein bekannter Nationalspieler nicht impfen lässt, warum soll ich mich dann impfen lassen?“

Leist liegt damit auf einer Linie mit dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Ein prominenter Impfskeptiker wie Kimmich könnte zumindest Wasser auf die Mühlen von Unentschlossenen sein. Für Lauterbach wäre eine Corona-Impfung des 26-Jährigen „wertvoll. Denn davon geht eine enorme Symbolwirkung aus für junge Leute, die epidemiologisch ein Problem darstellen“, sagte der Politiker bei Sport1.

Am Samstag hatte der gebürtige Rottweiler Kimmich versucht, seine ablehnende Haltung gegen eine Corona-Impfung zu erklären. Das souveräne 4:0 gegen die TSG 1899 Hoffenheim ohne den an Corona erkrankten Trainer Julian Nagelsmann war längst zur Nebensache geworden, als Kimmich mit den Händen in der Jackentasche und mit ernster Miene vor dem Mikrofon im Fokus stand. Er habe „persönliche Bedenken was fehlende Langzeitstudien angeht“, so Kimmich. Auch wenn er eine Impfung bisher ablehne, sei er sich seiner „Verantwortung bewusst“, ergänzte er. „Ich halte mich an die Hygienemaßnahmen, werde alle zwei, drei Tage getestet.“ Der Ex-VfB-Jugendspieler betonte, er sei „kein Corona-Leugner oder Impfgegner“ und es sei daher „sehr gut möglich, dass ich mich bald impfen lasse“.

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In mehreren Sitzungen mit der medizinischen Abteilung waren die Bayern-Stars von Teaminternist Roland Schmidt aufgeklärt worden. Die große Mehrheit war der Empfehlung gefolgt und hatte sich auch für eine Impfung entschieden. Dass ausgerechnet Kimmich nicht dazu gehört, verursachte reichlich Aufregung. Schließlich hat er nicht nur den Ruf als reflektierter Profi, der über den Tellerrand hinausschaut, sondern ist zusammen mit Leon Goretzka auch Gründer der viel beachteten und ausgezeichneten Initiative „We kick Corona“. Dort macht Kimmich auf seine besondere Verantwortung im Kampf gegen das Virus aufmerksam. „Weil die Gesundheit über allem steht, ist jetzt Solidarität im Kleinen wie im Großen notwendig. Jeder kann helfen“, heißt es da. Es waren also sehr überraschende Aussagen des Idols vieler Nachwuchsspieler, die polarisieren und konträr zu allen Kampagnen des FC Bayern, aber auch der Deutschen Fußball-Liga (DFL) im Kampf gegen die Pandemie laufen.

Verein sehr skeptisch

Selbst Mitspieler Thomas Müller äußerte sich kritisch. „Ich hoffe, dass sich die Spieler, die noch nicht geimpft sind, das noch anders überlegen und sich ein Herz fassen.“ Man wolle schließlich „aus dieser Coronaphase rauskommen. Von meinem Wissensstand her ist die Impfung dafür die beste Möglichkeit.“ Man müsse zwar „versuchen, das zu respektieren“, führte der 32-Jährige weiter aus, aber es sei „ein schmaler Grat, eine ethische oder eine moralische Diskussion“. Die Haltung seines Arbeitgebers ist dagegen eindeutig. „Wie die Verläufe sind, wenn man nicht geimpft ist, kann man in den Kliniken gerne erfragen. Deswegen plädiere ich dafür und bin nach wie vor der Meinung, dass es gut ist, sich impfen zu lassen“, hatte Nagelsmann erst am Freitag gesagt. „Als Vorbild, aber auch als Fakt wäre es besser, Joshua wäre geimpft“, ergänzte der langjährige Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

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Laut „Bild“ sind fünf Münchner Profis ungeimpft. Für DFL-Boss Christian Seifert ein Unding. Es stehe „viel auf dem Spiel“, hatte er unlängst unterstrichen. Deshalb habe er „wenig Verständnis dafür, wenn man sich nicht impfen lässt“. Unterstützung erhält er vom Experten Carsten Watzl. Von einem „Missverständnis, das sich bei vielen Menschen hartnäckig hält“, sprach der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie im Zusammenhang mit den auch von Kimmich befürchteten Langzeitfolgen.

Nebenwirkungen einer Impfung träten immer innerhalb von wenigen Wochen nach der Impfung auf. „Danach ist die Immunreaktion abgeschlossen und der Impfstoff ist aus dem Körper verschwunden. Was viele Menschen unter Langzeitfolgen verstehen, nämlich dass ich heute geimpft werde und nächstes Jahr eine Nebenwirkung auftritt, das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19-Impfung nicht auftreten“, erläuterte Professor Watzl.