Tonnenschwer und doch flexibel: Die einzelnen Schienenstücke für Stuttgart 21 sind 120 Meter lang. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Von Feuerbach aus werden Schienen in den Tunneln von Stuttgart 21 eingebaut. Mitte nächsten Jahres sollen die Gleise den Tiefbahnhof in der Innenstadt erreichen. Schon Ende des Monats wird beim Gleisbau die letzte Lücke an der Strecke zwischen Wendlingen und Ulm geschlossen.

Stuttgart - Olaf Drescher neigt nicht zu öffentlichen Gefühlsausbrüchen: Am Dienstag hat der Ingenieur und Stuttgart-21-Chef eine Ausnahme gemacht. „Es ist ein ganz besonderer Moment, wenn die ersten Schienen für ein Eisenbahnprojekt geliefert werden“, sagte er. Auf mehreren Güterwaggons sind die ersten fünf Kilometer Schienen an jene Stelle in Feuerbach geliefert worden, an der die neue Infrastruktur von Stuttgart 21 an die bestehende Strecke anschließt.

Gleise werden mit der Bahn transportiert

Das erleichtert die Logistik für die Gleisarbeiten erheblich. Die Schienen, die in einem Werk im steirischen Donawitz gefertigt werden, gelangen auf der Schiene auf die Baustelle. „Das spart 9000 Kilometer, die nicht auf der Straße gefahren werden müssen“, sagte Christian Fischer, der bei Stuttgart 21 und der Neubaustrecke nach Ulm für den Bau der Gleise verantwortlich ist. Jede Nacht wird nun ein Zug in Feuerbach ankommen, beladen mit 120 Meter langen Schienenstücken, die jedes für sich rund sieben Tonnen wiegen.

Pro Tag sollen 100 Meter Strecke entstehen

Die am Dienstag unter lautem Getöse entladene Fuhre bringt stolze 325 Tonnen auf die Waage. Neben den Gleisen müssen zudem 25 000 Schwellen angeliefert werden, die zusammen mit den Schienen in Feuerbach in den Untergrund verschwinden. Von dort aus werden der gut drei Kilometer lange Tunnel Feuerbach und der 3,5 Kilometer lange Tunnel Bad Cannstatt, die kurz vor dem Hauptbahnhof aufeinander treffen, mit den Schienen versorgt. Die Gleise im Feuerbacher Ast sollen Mitte 2022 den Hauptbahnhof erreichen, das gesamte 120 Kilometer lange S-21-Streckennetz in der Stadt und auf den Fildern soll bis 2024 mit Gleisen versehen sein. Für den Transport des Betons, in den die Gleise im Tunnel eingegossen werden, ist auf einem Randweg im Tunnel eigens eine Schmalspurbahn aufgebaut worden. Auf der verkehrt ein batteriegetriebener Zug. 100 Meter Gleise sollen auf diese Weise am Tag entstehen, sagte Fischer. Das sei allerdings eine konservative Rechnung, Leistungen, die über dieser Marke liegen, seien durchaus denkbar. Gearbeitet wird in zwei Schichten.

Rund 45 Millionen Euro ist der Auftrag wert, den sich das französische Unternehmen Eiffage gesichert hat. Es ist eines von drei Losen für den Gleisbau, für den insgesamt rund 278 Millionen Euro fällig werden. Die Aufträge hatte die Bahn im Oktober vergangenen Jahres vergeben.

Auf den Fildern soll es im November losgehen

Im kommenden Monat soll der Gleisbau auch an der parallel zur Autobahn 8 verlaufenden Strecke auf den Fildern beginnen, im knapp 9,5 Kilometer langen Tunnel zwischen dem Hauptbahnhof und den Fildern laufen vorbereitende Arbeiten. Dorthin werden die Schienen allerdings mangels einer geeigneten Bahnstrecke auf der Straße angeliefert werden. Man sei in Abstimmungsgesprächen mit der Autobahn-Gesellschaft des Bundes, sagte Christian Fischer.

Sehen Sie hier unser Video von der ersten Zugfahrt auf der ICE-Strecke nach Ulm

Dass erst elf Jahre nach dem offiziellen Baustart für das Projekt mit dem Gleisbau begonnen werden kann, lasse sich nun nicht mehr ändern, sagte Olaf Drescher. Diese Zeit liege nun hinter der Projektgesellschaft, es gelte, sich auf die verbleibenden vier Jahre bis zur anvisierten Inbetriebnahme im Jahr 2025 zu konzentrieren. „Der Beginn des Gleisbaus markiert einen wichtigen Punkt. Bisher haben wir an einzelnen Bauwerken gearbeitet. Nun verbinden wir die zu einem System“, sagt Olaf Drescher. Er bekräftigte in Feuerbach auch nochmals, dass dieses System 2025 in Betrieb gehen werde. „Das ist ja nicht mein erstes Eisenbahnprojekt, das ich fertigstelle“, verweist er auf seine Erfahrung. Zuletzt hatte Drescher den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke durch den Thüringer Wald als Teil der Verbindung München–Berlin verantwortet.

Und in Feuerbach ist er mit einem anderen Teil seiner beruflichen Vita konfrontiert worden. „Ich habe hier einen Gleisbauer wieder getroffen, der mit mir schon an der Schnellfahrstrecke Berlin–Hamburg zusammengearbeitet hat.“ Die Welt der Gleisbauer scheint eine überschaubare zu sein.