Bäuerliche Demonstration vor einem Aldi-Zentrallager in Nordrhein-Westfalen Foto: dpa/Andreas Dunker

Der Protest der Bauern gegen billige Lebensmitteln wird schärfer: Erstmals führten Sternfahrten mit Traktoren vor die Zentrallager eines Handelskonzerns. Drohen bald Autobahnblockaden wie in Frankreich?

Stuttgart - . Es ist ein Muskelspiel zwischen Traktoren und Lastwagen, und wer gewinnt, ist noch nicht ausgemacht: In der Nacht zum Montag parkten Hunderte von Bauern vor Zentrallagern von Aldi-Süd und Aldi-Nord, unter anderem standen in Donaueschingen rund 50 Traktoren „abseits der Fahrbahn“, so der Polizeibericht, und drohten den Lkw-Verkehr zu behindern. Ähnliche Szenen gab es vor vier Aldi-Zentrallagern in Rheinland-Pfalz mit 650 Traktoren sowie in Norddeutschland. „Die Bauern standen auf Feldwegen, nur in Einzelfällen ist einer ausgeschert und hat abfahrende Lkw behindert, so ein Bauernfunktionär aus der Pfalz.

Pro Liter Milch erhält der Erzeuger 0,35 Euro

Die Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“ ist stolz auf die von ihr organisierte Aktion: „Das war keine Blockade, das war eine Mahnung“, sagt Alexander Kern, ihr Sprecher im Südwesten. Zuvor hatte Aldi angekündigt, wegen der globalen Marktschwäche einen Halbjahresvertrag zu kündigen und über den Einkaufspreis neu zu reden – zum Unmut der Bauern: „Aldi spielt ein falsches Spiel mit dem Verbraucher, werden Milchpreise weiter gedrückt, ist unsere Landwirtschaft gefährdet“, sagt Kern. Zur Zeit notiert der Erzeugerpreis bei 0,35 Euro pro Liter, das gilt als „Mittelmaß“, im langfristigen Vergleich sogar als „gut“, sagt ein Experte im Landwirtschaftsministerium.

Bauernverband kritisiert die „Nachfragemacht“

Vom Bauernverband war die Strategie von Aldi zuvor als „Missbrauch von Nachfragemacht“ und „Fall fürs Kartellamt kritisiert“ worden. Aldi und seine Mitbewerber nutzten „jede Chance für niedrigere Einkaufspreise“, so der Milchexperte Carsten Schmal. Aldi Süd selbst teilte mit, die „Demonstrationen“ seien friedlich verlaufen, man sei wie jedes Jahr üblich in der Ausschreibung für Milchprodukte. Ausschlaggebend für die Preisfindung seien die weltweiten Rohstoffmärkte sowie Angebot und Nachfrage. Aldi sei interessiert an „einer partnerschaftlichen und vernünftigen Einigung“ mit Lieferanten.

Bisher hatten sich die Bauernproteste in Deutschland auf angekündigte Sternfahrten, Mahnfeuer und grüne Kreuze beschränkt, nun ist gezielt ein Konzern angegangen worden. Drohen nun Verhältnisse wie in Frankreich, wo protestierende Bauern Autobahnen blockierten? „Nein, wir begehen keine Straftaten“, sagt Kern. „Sonst redet ja keiner mehr mit uns.“ Ob es weitere Aktionen geben wird, lässt er offen. Man bleibe spontan.

Ein gewisses Verständnis für die Traktorenauffahrten der Bauern äußerte der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) auf Anfrage unserer Zeitung: „Den Unmut der Bauern kann ich verstehen, solange sich ihre Proteste innerhalb von Recht und Gesetz bewegen.“ Den Bürgern und den Lebensmittelunternehmen müsse klar sein, so Hauk, „dass wir auf eine leistungsfähige, heimische Landwirtschaft angewiesen sind, wenn wir mit hochwertigen regionalen Lebensmitteln versorgt werden möchten“. Mit Dumpingpreisen allerdings, so der Minister, „können unsere Bauern weder überleben noch in den Umweltschutz oder das Tierwohl investieren“.