Warum der Laden Basis am Olgaeck geschlossen hat, darüber rätseln auch langgediente Stuttgarter Fahrradaktivisten. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das Fahrradgeschäft Basis in der Innenstadt, der Laden Rad und Reisen in Stuttgart-Mühlhausen: Zuletzt haben mehrere beliebte Anlaufstellen für Radliebhaber geschlossen. Ist der Boom vorbei?

Wer in der Vergangenheit ein Fahrrad wollte, das nicht von der Stange kommt, konnte stets zum Geschäft Basis am Olgaeck in Stuttgart-Mitte gehen. Dort konnte man sich sein eigenes Traumfahrrad zusammenbauen lassen und bekam Ware auch jenseits der großen Marken. Erst vor wenigen Monaten hatte „die Basis“ noch erweitert und eine große Ausstellungsfläche gegenüber dem ursprünglichen Laden und der Werkstatt eröffnet.

Die ehemaligen Besitzer reden nicht

Deshalb überrascht es umso mehr, dass nun alles dicht ist – ohne Erklärung. An der Ladentür hängt nur ein handgeschriebener Zettel mit der Aufschrift: „Wir haben dauerhaft geschlossen!“ Ans Telefon geht niemand mehr, Mails kommen zurück, die Website funktioniert nicht, auch auf Facebook erhält man keine Reaktion.

Und es ist nicht das einzige Fahrradgeschäft in der Landeshauptstadt, das aufgegeben hat. Auch Rad und Reisen in Stuttgart-Mühlhausen ist inzwischen geschlossen. Am Telefon berichtet der ehemalige Besitzer zwar von den Gründen, will diese aber nicht in der Zeitung lesen. Nur so viel: Es hat mit Krankheit zu tun, aber auch mit den großen Ketten, die es kleinen Läden schwermachen können, meint er.

Vor Kurzem ist auch einer der großen deutschen Fahrradhersteller pleitegegangen: Die Firma Prophete aus dem nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück hatte vor Weihnachten einen Insolvenzantrag gestellt. Zu dem 115 Jahre alten Familienbetrieb Prophete gehören unter anderem die Marken VSF Fahrradmanufaktur und Kreidler, außerdem belieferte die Firma mehrere Discounter mit preiswerten Fahrrädern.

Auf fast jede Person in Deutschland kommt ein Fahrrad

Verwunderlich daran ist: Spätestens seit Beginn der Coronapandemie war immer die Rede vom großen Fahrradboom. So waren sowohl 2020 als auch 2021 Rekordjahre für die Branche. Allein im ersten Coronajahr wurden mit mehr als fünf Millionen Fahrrädern und E-Bikes insgesamt 17 Prozent mehr verkauft als noch 2019, heißt es vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). Laut ZIV war nicht nur die Pandemie ein Grund für die gestiegene Nachfrage, sondern auch Angebote wie das Dienstfahrradleasing.

Schätzungen zufolge stehen in Deutschland inzwischen 81 Millionen Fahrräder und E-Bikes in Garagen, Kellern und Innenhöfen. Das bedeutet, dass auf fast jede Einwohnerin und jeden Einwohner ein Fahrrad kommt. Und weil manche Hochbetagte sowie Babys vermutlich keines besitzen, dürften einige Menschen auch mehr als ein Fahrrad haben.

Oft findet sich kein Nachfolger

Ist das der Grund, warum die Läden in Stuttgart zu kämpfen haben? Ist die Nachfrage gestillt? Hat jeder inzwischen sein Traumfahrrad? Reiner Kolberg, der Sprecher des ZIV, verneint: „Von einem Ende des Fahrradbooms zu sprechen, wäre sicher falsch.“ Auch eine Marktsättigung sei nicht absehbar – vor allem im Bereich der E-Bikes. Doch die momentane Kaufzurückhaltung würde man eben überall spüren, sagt er.

Dazu komme, dass kleinere Läden sich generell schwerer täten, auch weil es oft Schwierigkeiten bei der Übergabe des Geschäfts gebe, sagt Kolberg. So war es zum Beispiel auch beim Radgeschäft Speiche in Stuttgart-Vaihingen, welches 2019 geschlossen hatte, ebenso 2018 im benachbarten Böblingen, als das Fahrradgeschäft Jaiser und der E-Bike-Spezialist E-Zee aufgaben. Die Nachfrage der Kunden war da, doch es fand sich kein Nachfolger. „Natürlich spielt auch der Fach- und Arbeitskräftemangel eine Rolle – wie in allen Branchen“, sagt Reiner Kolberg.

Lieferprobleme wohl nicht mehr so schlimm

Vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) heißt es, dass die Lieferschwierigkeiten der vergangenen Jahren den Läden zugesetzt hätten. „Die Kunden standen den Mitarbeitern auf den Füßen, wollten ihr neues Rad – und die Läden konnten nicht liefern; weder ganze Räder noch Einzelteile“, sagt Cornelius Gruner, der so etwas wie Stuttgarts längstgedienter Fahrradaktivist ist. Seit 1984 ist er Mitglied beim ADFC Stuttgart, lange war er dessen Vorsitzender. Warum das Geschäft Basis geschlossen hat, verwundert Gruner jedoch auch. „Die Mitarbeiter waren ja noch sehr jung“, rätselt er.

Trotz der jüngsten Schließungen ist Cornelius Gruner überzeugt, dass Fahrradgeschäfte nicht vom Aussterben bedroht seien – auch nicht die kleineren: „Den Läden, die individualisierte Beratung anbieten können, geht es weiterhin gut.“ Und auch die Lieferprobleme hätten sich inzwischen weitgehend aufgelöst, sagt er.