Erhält viel Widerspruch: Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bringt mit aktuellen Äußerungen die Projektpartner von Stuttgart 21 gegen sich auf. Selbst aus Berlin kommen kritische Stimmen.

Winfried Hermann hat einen Nerv getroffen. Der grüne Landesverkehrsminister hat in einem aktuellen Interview mit unserer Zeitung seine Sicht auf die Entwicklung der Bahninfrastruktur in der Region im Allgemeinen und auf die bei Stuttgart 21 entstehende im Besonderen dargelegt. Die Reaktion auf die Ansichten des Ministers sind eindeutig: Teile der Aussagen seien „teils inkorrekt“ und entbehrten „jeglicher sachlichen Grundlage“, der Minister trage „Fantastereien“ vor, Hermann dividiere auseinander statt zusammenzuführen, man sei „erstaunt über die Interpretation des Ministers“, heißt es aus den Reihen der Kommunal-, Landes- und auch Bundespolitik. Hermann hatte gesagt, Stuttgart 21 gehe im Jahr 2025 nur teilweise in Betrieb. Zudem zeigt er sich zurückhaltend, was das Vorhaben des Bundes angeht, die Gäubahn mittels des mehr als 11 Kilometer langen Pfaffensteigtunnels an den Flughafen anzubinden.

Bahn schreibt an die Projektpartner

Die Runde der S-21-Betreiber hat am Freitag ein siebenseitiges Schreiben von Thorsten Krenz erhalten, das unserer Zeitung vorliegt. Darin setzt sich der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für das Land Baden-Württemberg mit den Aussagen des Ministers auseinander. Hermann hatte etwa moniert, dass die große Wendlinger Kurve, eine ausgebaute Verbindung zwischen der Neckartalbahn und der Neubaustrecke, nicht ab der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 zur Verfügung stehe. „Eine gleichzeitige Inbetriebnahme mit Stuttgart 21 ist gemäß dem mit dem Land Baden-Württemberg geschlossenen Finanzierungsvertrag nicht vorgesehen, sondern auf 2027 terminiert“, schreibt Krenz. „Mittlerweile hat die DB auf Wunsch des Landes Beschleunigungsvorschläge gemacht, die eine Inbetriebnahme 2026 ermöglichen sollen“.

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Auch Hermanns Aussage, wonach Züge mit der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 zunächst am Landesflughafen „vorbeirauschen“, will Krenz nicht unwidersprochen stehen lassen. Die Bahn strebe „eine Teilinbetriebnahme an, bei der der Flughafen vom Stuttgarter Hauptbahnhof aus über eine Stichanbindung in acht Minuten zu erreichen wäre“. Aus Richtung Osten kommend wäre der Flughafen, wenn erste Baumaßnahmen für den Pfaffensteigtunnel ergriffen werden, wohl erst ab 2027 direkt erreichbar.

FDP sieht Mitschuld des Ministers

Hans Dieter Scheerer, Sprecher der Landtags-FDP für den öffentlichen Nahverkehr, bringt eine Mitverantwortung Hermanns für den aus dem Ruder gelaufenen Zeitplan von Stuttgart 21 ins Spiel. „Minister Hermann muss sich fragen lassen, inwiefern er nicht mit seiner Obstruktionspolitik zu Stuttgart 21 zu Beginn seiner Amtszeit für Probleme auf der Zeitschiene eine Mitverantwortung trägt“, sagt Scheerer. Sein Fraktionskollege Christian Jung, verkehrspolitischer Sprecher der FDP im Landtag, will per Anfrage herausfinden, ob die Interviewaussagen die Sicht der Landesregierung oder nur die des Ministers wiedergeben.

„Die Äußerungen des grünen Landesverkehrsministers Hermann entbehren jeglicher sachlichen Grundlage“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Bareiß. Hermann solle sich dem Schulterschluss der Projektpartner anschließen, statt „weiterhin diese Fortschrittsprojekte zu blockieren“.

Region warnt davor, leer auszugehen

Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) wirft Hermann vor, er versuche die Projektpartner auseinander zu dividieren. „Wir müssen uns aber zusammenraufen“. Die Region befürworte den Pfaffensteigtunnel. „Damit haben wir zum ersten Mal die Chance, dass der Gäubahnausbau vorangeht. Und nur mit dem Tunnel ist auf der Strecke der Deutschland-Takt möglich.“ Diesen Ausbau bezahle der Bund. „Wenn wir uns aber hier uneinig sind, fließt das Geld in andere Gegenden von Deutschland“, warnt Bopp. Aus Sicht der Region könne die Entscheidung im nächsten Lenkungskreis von Stuttgart 21 am 2. Mai fallen, die Pläne am Flughafen so zu ändern, dass der Pfaffensteigtunnel später ohne größere Unterbrechung des Verkehrs angeschlossen werden kann. Hermann hat im Interview zunächst einmal vertiefende Informationen eingefordert. Allerdings ist der Bau am Flughafen soweit fortgeschritten, dass die Entscheidung aus Sicht der Bahn nun fallen müsse.

Im Rathaus der Stadt Stuttgart ist man „erstaunt über die Interpretation des Ministers“ – das umso mehr, als man bisher gut mit dem Verkehrsministerium zusammengearbeitet habe. „Wir sind auf ein gutes Miteinander der Projektpartner angewiesen“, betont Rathaus-Sprecher Sven Matis. Die von Hermann im Interview wieder ins Gespräch gebrachte unterirdische Ergänzungsstation auf Flächen der Stadt, wird im Rathaus weiter kritisch gesehen. „Eine ergänzende Station zu bauen, ginge nur nach Fertigstellung des Bahnhofs. Damit würde sich der Bau des Stadtquartiers Rosenstein um Jahre verzögern. Die Bebauung würde sich durch die Untertunnelung erheblich verteuern“, sagt Matis. Am kommenden Dienstag wird sich der zuständige Gemeinderatsausschuss mit der weiteren Entwicklung des Städtebauvorhabens befassen.