Der Baumschnitt wird von Bürgern und Fachfrauen kritisiert. Foto: privat

Bürger und Fachfrauen kritisieren den Baumschnitt in der Aldinger Straße beim Kaufland. Die Stadt sieht sich nicht zuständig, weil die Bäume auf privatem Grund stehen.

Mühlhausen - Die Bäume waren 1A“, sagt Landschaftsgärtnerin Kathrin Scheck. Gemeint sind die Lindenbäume in der Aldinger Straße beim Kaufland in Mülhausen. Als sie vor wenigen Tagen dort vorbeikam, sei sie total erschrocken. Die Bäume sind ihrer Meinung nach unsachgemäß geschnitten worden.

Sie schrieb an die Stadt Stuttgart eine Gelbe Karte und gab dort die Kritik weiter: Es sei eine Schande, was hier passiert sei. „Ich habe nichts gegen einen fachmännischen Schnitt einzuwenden, wenn es nötig ist aufgrund der Verkehrssicherheit. Hier in diesem Fall ist das Vorgehen jedoch nicht zu rechtfertigen und auch nicht nötig gewesen“, so Scheck. Die Bäume seien in den letzten Jahren nach den Baumaßnahmen zur Stadtbahn wunderbar eingewachsen gewesen und hätten sich ihren Standort erobert. Und dies trotz großem Verkehrsaufkommen. „Ich hatte mich immer sehr an den Bäumen erfreut, die einen schönen Ausgleich zum Kaufland Gebäude und Parkhaus bildeten. Dies ist nun vorbei“, so Scheck. Sie bat die Stadt, den Sachverhalt zu klären zugleich forderte sie, die Bäume durch Neupflanzungen zu ersetzen und dann entsprechend zu pflegen.

Auch Stefanie Braun, sie ist von Beruf Gartenarchitektin, ist der Baumschnitt aufgefallen. Die Stuttgarterin hat sich an Kaufland gewandt. Sie kritisierte, dass „diese ohne jedes gärtnerische Können, ohne Sinn und Verstand durchgeführten Arbeiten“ sie fassungslos und wütend machten. Die Bäume seien auf Dauer zerstört. „Sie werden keine artgemäße Krone mehr entwickeln können, sondern an den Schnittstellen viele dicht an dicht stehenden Neutriebe bilden. Die Bäume werden zum Dauerpflegefall, weil die großen Wunden Eintrittspforten für baumzerstörende Krankheiten sein können und weil der zu erwartende Neutrieb dauerndes nachschneiden erfordern wird“, so Braun.

Auch vom Bürgerverein Mühlhausen kommt Protest. Der Vorsitzende Heinz Morhard kritisierte ebenfalls den unsachgemäßen Schnitt und erklärte in einem Schreiben an Kaufland: „Künftig fehlt in heißen Sommermonaten an der stark befahrenen Straße, dem Fußweg, der Bushaltestelle und dem hochfrequentierten Parkhaus das schattenspendende Blattwerk der wunderschönen Baumreihe.“

Morhard verweist auf den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart zum Neubau einer Endhaltestelle in Mühlhausen aus dem Jahr 2015. Darin waren Ausgleichsmaßnahmen wegen der Fällung von bislang entlang der Straße stehender Bäume vorgesehen. „Diese Maßnahmen fanden auf aufwertungsbedürftigen und -fähigen Flächen statt und wurden in der Eingriffsausgleichsbilanz ausführlich und nachvollziehbar beschrieben.“ Der Bürgerverein engagiere sich für den Umweltschutz, für Naturschutz und für Landschaftspflege. Das Regierungspräsidium kann jedoch bislang keine Zusammenhänge zum Planfeststellungsbeschluss erkennen.

Morhard hat auch an Bezirksvorsteher Ralf Bohlmann geschrieben. Auf Nachfrage erklärte Bohlmann gegenüber unserer Zeitung, die Bäume würden auf privatem Grund stehen, dafür sei Kaufland zuständig. Es sei erkennbar, auch für den Laien, dass der Schnitt nicht professionell durchgeführt worden sei. Es sei die Frage, inwieweit die Stadt privatem Eigentümer Vorschriften machen könne. Es sehe aus seiner Sicht nicht ökologisch durchdacht aus. Doch die Pflegezuständigkeit liege bei Kaufland. Die Initiative des Bürgervereins finde er berechtigt, doch letztendlich habe der Eigentümer das Sagen. Alisa Götzinger von der Kaufland-Unternehmenskommunikation erklärte auf Nachfrage unserer Zeitung: „Viele der Bäume bei unserer Filiale in Stuttgart Mühlhausen stehen direkt an der Hauptstraße. Dort bedeckten die Zweige zum Teil Verkehrsschilder und ragten in die Fahrbahn. Da dies die Verkehrssicherheit beeinträchtigt, haben wir eine Firma beauftragt, die die Bäume sachgemäß zurückgeschnitten hat.“

Volker Schirner, Leiter des Garten-, Friedhofs- und Forstamts verwies darauf, dass es sich um privaten Grund handele und er keine Zuständigkeit sehe. Das Amt für Umweltschutz sah das auch so. Das Amt für Stadtplanung und Wohnen sieht vier der Bäume von der Planfeststellung erfasst. Für diese sei das Regierungspräsidium zuständig. Die Stadt sei mit dem Regierungspräsidium darüber im Austausch.

Fachfrau Scheck erhielt von Kaufland ebenfalls die Antwort, dass Verkehrsschilder freigeschnitten werden sollten. Sie schrieb zurück, dass in diesem Fall die Bäume zerstört worden seien. Und zwar irreversibel. Die Schnittstellen seien tief im dicken Stammholz, zum Teil mit tiefen Einrissen, da kein Entlastungsschnitt auf der gegenüberliegenden Seite der Sägestelle gemacht worden sei und deshalb die Rinde weit eingerissen sei. Der Habitus der Bäume sei für immer zerstört. Die Bäume würden in Zukunft an den Schnittstellen büschelartige Austriebe bilden. Es werde immer Pflege notwendig sein. „Die Schatten- und Luftreinigungswirkung ist auch dahin“, stellte Scheck fest. Sie bedauerte in ihrem Schreiben an Kaufland, dass dieses den Schaden nicht anerkenne und nicht überlege, wie das Stadtbild wieder verbessert werden könne. Das Tiefbauamt war laut Stadt nicht für einen Freischnitt bei der Firma Kaufland vorstellig geworden. Die Bürger, die protestierten, sahen ebenfalls keinen Anlass für einen Freischnitt wegen verdeckter Verkehrsschilder.