Winfried Kretschmann hat die Kritik des Steuerzahlerbunds an seiner Regierungsaufstellung scharf zurückgewiesen. Foto: AFP/MARIJAN MURAT

Wegen klammer Kassen setzt die neue Landesregierung alle Vorhaben unter Haushaltsvorbehalt - außer die eigenen Posten, schimpfen Kritiker. Der Regierungschef weist das scharf zurück. Und begründet den Personalaufwuchs mit der „Verpapstung der Politik“.

Stuttgart - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die Kritik des Steuerzahlerbunds an seiner Regierungsaufstellung scharf zurückgewiesen. Der Verein hatte ihm zuvor eine Aufblähung des Regierungsapparats durch das Schaffen eines neuen Ministeriums und die Bestellung zusätzlicher Staatssekretäre vorgeworfen. Der Vorwurf sei „einfach billig“, entgegnete Kretschmann am Mittwoch kurz nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten und vor der ersten Kabinettssitzung in Stuttgart. „Dass dem Bund der Steuerzahler immer zuerst einfällt, an der Demokratie zu sparen, finde ich merkwürdig.“ Die Krise habe gezeigt, dass es einen starken Staat brauche.

Die Landesregierung stelle ihre bei den Koalitionsverhandlungen in Sachen Landesfinanzen selbst auferlegte „One-In-One-Out“-Regelung - für jede neue Belastung muss eigentlich woanders gespart werden - völlig auf den Kopf, schimpfte der Landesvorsitzende des baden-württembergischen Steuerzahlerbundes, Zenon Bilaniuk. Die Landesregierung hätte, nachdem bereits beschlossen wurde, ein zusätzliches Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen zu schaffen, bei der Vergabe der Staatssekretärsämter Zurückhaltung üben müssen. Der starke Anstieg auf 14 Staatssekretäre sei aus Steuerzahlersicht „absolut unverständlich“. „Dadurch entsteht der Eindruck, es wurden aus Proporzgründen zusätzliche hoch dotierte Ämter ins Leben gerufen.“ Die Kritik von Kretschmann wies er am Mittwochabend zurück: „Ein Mehr an Ministerialbürokratie bedeutet nicht ein höheres Maß an Demokratie.“

Kretschmann begründete den Postenaufwuchs hingegen mit dem erheblich gestiegenen Kommunikationsaufwand, mit dem sich die Regierung konfrontiert sehe. Die Menschen erwarteten heutzutage, dass die Leitungsebene mit ihnen spreche. „Da kann ich keinen Abteilungsleiter hinschicken.“ Da habe sich viel geändert. Kretschmann sprach in dem Zusammenhang auch von einer „Verpapstung der Politik“: „Alle wollen mit dem Papst reden, keiner mit dem Bischof.“

Auch Strobl verteidigt die neue Mannschaftsstärke

Auch Vize-Regierungschef Thomas Strobl verteidigte die neue Mannschaftsstärke. Er habe auch schon Stellen über längere Zeit eingespart. „Ich hab weder vom Bund der Steuerzahler noch sonst irgendwo dafür eine Anerkennung, ein Lob oder sonstiges bekommen“, sagte er. „Demokratie kostet schon auch Geld, das muss man mal ganz offen sagen - aber alle anderen Alternativen kosten nicht nur Geld, sondern Freiheit und Leben.“ Deshalb müsse sich das ein Parlament und auch eine Regierung auch mal leisten, ohne zu verschweigen, dass das auch Geld kostet.

Die Regierung besteht künftig nach Angaben des Staatsministeriums aus 29 Köpfen - das sind ein Minister- und vier Staatssekretärsposten mehr als in der vergangenen Legislaturperiode. Ministern steht ein monatliches Grundgehalt in Höhe der Besoldungsgruppe B11 zu, das sind derzeit laut Landesamt für Besoldung und Versorgung 14 839,37 Euro. Staatssekretäre erhalten 85 Prozent dieses Betrags, der Ministerpräsident hingegen bekommt nochmals einen Aufschlag von 20 Prozent. Oben drauf gibt es noch jeweils Familienzuschlag und Aufwandsentschädigung.

Die Opposition zeigt sich empört angesichts der angewachsenen grün-schwarzen Truppe. Kretschmanns Begründung, es wollten so viele Leute mit den Regierenden reden, sei - gerade in Coronazeiten - an den Haaren herbeigezogen, wetterte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. „Um überhaupt eine Mehrheit im Landtag zusammen zu bekommen, wird nun jeder, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, zum Minister oder Staatssekretär befördert - um auf Kosten des Steuerzahlers auf den grün-schwarzen Machterhalt verpflichtet zu werden.“

Auch der neue Finanzminister verteidigt den personellen Ausbau

„Kretschmann hält die Kritik an der Aufblähung seines Regierungsapparates für billig“, sagte SPD-Chef Andres Stoch. „Für den Steuerzahler ist das Ganze alles andere als billig.“ Nie zuvor habe sich eine Landesregierung in Baden-Württemberg so viele Minister-Posten und Staatssekretäre gegönnt - für wichtige politische Vorhaben wie den Klimaschutz solle aber das Geld fehlen.

Aber auch der neue Finanzminister verteidigte den personellen Ausbau. „Das ist eine Diskussion, die natürlich immer regelmäßig kommt“, sagte Minister Danyal Bayaz, der bis vor kurzem noch für die Grünen im Bundestag saß. „Die ist legitim, die Diskussion, ob sie sinnvoll ist, da hab ich meine Fragezeichen.“ Der Staat habe seine Aufgaben, besonders in Krisensituationen. Er sei froh in ein Haus gekommen zu sein, in dem ihn ein Staatssekretär unterstützt. „Wir wollen ja auch was reißen als Landesregierung“, sagte Bayaz. „Da muss man Arbeit ja auch auf verschiedene Köpfe verteilen.“

Bayaz bekannte sich nach seiner Vereidigung auch zur Schuldenbremse des Landes. Diese sei vor einem Jahr beschlossen worden und stehe im Koalitionsvertrag. „Das sind die Spielregeln. Das gilt. Das werde ich auch einfordern als Finanzminister.“ Aber man werde drüber sprechen, wo die politischen Prioritäten liegen und ob man im Land nochmal auf Ausnahmetatbestände zurückgreifen könne mit Blick auf die Kreditaufnahme. Aber der Landeshaushalt umfasse 50 Milliarden Euro, er sei überzeugt, dass man davon viel etwa für den Klimaschutz machen könne. Ewiges Gezerre ums Geld könne sich die Regierung nicht leisten. „Fünf Jahre nur diskutieren wäre nicht unser Anspruch“, sagte der 37-jährige Heidelberger. Man sei aktuell in einer schwierigen Lage, er hoffe aber auf eine konjunkturelle Normalisierung im Sommer und Herbst.