Die Arbeitslosigkeit im Südwesten dürfte im neuen Jahr vorübergehend ansteigen (Symbolbild). Foto: dpa/Larissa Schwedes

Auf dem Arbeitsmarkt im Südwesten läuft es häufig besser als woanders. Doch Versorgungsengpässe in der Industrie machen Sorgen. Und Tausende Jugendliche verzichten auf den Beginn einer Ausbildung.

Stuttgart - Die Arbeitslosigkeit im Südwesten dürfte nach Einschätzung des regionalen Arbeitsagenturchefs Christian Rauch im neuen Jahr vorübergehend ansteigen. „Wir werden vor allem wegen der Corona-Maßnahmen einen zeitweiligen Störeffekt haben“, sagte Rauch der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Im Kampf gegen die vierte Corona-Welle waren Vorgaben im Land und im Bund wieder verschärft worden.

Die Arbeitslosigkeit sei im zurückliegenden Jahr kontinuierlich gesunken. „Dieser Trend wird jetzt erstmals durchbrochen“, sagte Rauch. Es könne bereits im Januar einen Anstieg geben. Erst im März oder April dürfte sich dann der längerfristige Trend zu einem Rückgang fortsetzen. Die Arbeitslosenquote betrug im November 3,4 Prozent, der Südwesten lag damit im Bundesvergleich im unteren Bereich. Die Dezember-Zahlen will die Arbeitsagentur an diesem Dienstag (4. Januar) vorlegen.

Die Zahl der Kurzarbeiter könnte im neuen Jahr zeitweilig auf 400 000 bis 500 000 steigen, warnte Rauch mit Hinweis auf Gespräche mit dem Handel sowie dem Hotel- und Gaststättengewerbe. Im November waren demnach rund 150 000 bis 200 000 Menschen von Kurzarbeit betroffen. Im Jahresverlauf dürfte die Zahl dann wieder deutlich sinken, sagte Rauch. Es seien kurzfristige Ausschläge wegen unterbrochener Lieferketten möglich, beispielsweise in der Automobilindustrie und im Maschinenbau. Diese Branchen stellten sich darauf ein, „dass sie wegen der Engpässe für jeweils ein bis zwei Wochen die Produktion gegen Null fahren müssen“. Vor allem Chips und andere Elektronikteile fehlen.

In der Wirtschaft gebe es eine Entwicklung hin zum Digitalisieren und zum Vermindern von C02-Emissionen. Das sei eine Herausforderung für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In Deutschland gebe es generell eine geringe Bereitschaft zur Weiterbildung, sagte Rauch. Es seien aber sogar komplette Berufswechsel möglich: „Aus dem Metallbereich sind Menschen zur Pflege gekommen. Es gibt auch Wechsel aus dem Handel in die Erziehung“, sagte der Geschäftsführungsvorsitzende der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit.

Rauch machte deutlich, dass die Corona-Pandemie den Ausbildungsmarkt durcheinanderbringt. „Das ist eine Situation, die wir noch nicht erlebt haben.“ Tausende im Südwesten verzichteten bisher darauf, eine Berufsausbildung zu beginnen. Diese „stille Reserve“ umfasst laut Rauch inzwischen rund 11 000 bis 15 000 junge Menschen. Ein Teil von ihnen wiederhole freiwillig die 10. Klasse der Realschule - auch um Schulnoten zu verbessern. Andere seien im beruflichen Schulsystem gelandet. Viele absolvieren ein sogenanntes freiwilliges Jahr, beispielsweise im Sozial- und Umweltbereich. „Die Organisationen berichten, dass die Angebote einen Zulauf wie noch nie gehabt haben.“ Die Arbeitsagentur plane Mitte des Jahres eine „Woche der Praktika“, um Einblicke in das Berufsleben zu geben.