Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Dass die Benzstraße nach ihrer Verlegung auch weiterhin Benzstraße heißen wird, ist klar. Doch welche Namen erhalten die fünf neuen Straßen, die in den kommenden Jahren auf dem ehemaligen Güterbahnhof-Gelände entstehen? Geht es nach dem Votum des Bezirksbeirats Bad Cannstatt, so könnte eine Straße beispielsweise Lenore-Volz-Straße heißen. Lenore Volz gilt als Vorreiterin für Gleichberechtigung der Frau im kirchlichen Dienst, wurde am 16. März 1913 in Waiblingen geboren und starb am 26. September 2009. Ihr Grab befindet sich auf dem Uff-Kirchhof. Neben Lenore Volz stehen noch weitere sechs „starke Frauen“ auf einer Vorschlagsliste des Bezirksbeirats.

Frauenpower im Neckarpark, blumig ist‘s im Sommerrain und Neugereut wird von Wasservögeln geprägt. Doch warum? Wer sich mit dem Thema Straßennamen in Stuttgart und ihrer Ursprünge befasst, der muss ordentlich in die Geschichte eintauchen. Denn laut dem Buch „Die Stuttgarter Straßennamen“, das 2003 im Silberburg-Verlag erschienen ist, gehören die Geißstraße 1430), Rosenstraße (1431), Eichstraße (1485) und die Kirchstraße (1487) zu den ältesten Straßennamen, die sämtliche Kriege, Reformen und Eingemeindungen überlebt haben.

In den folgenden Jahrhunderten wurden die Straßenbenennungen hierzulande natürlich vor allem von Königen, Fürsten und Herzögen geprägt. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts reichten deren Namen bei weitem nicht mehr aus, sodass die Namen bedeuteter Persönlichkeiten hinzukamen. Genannt seien hier Schiller (1853), Gutenberg (1858), Kepler (1862) Uhland (1865) und Cotta (1864). Übrigens: Bürger konnten damals schon ihre Vorschläge an den Gemeinderat richten, eine Prozedur, an der sich bis heute nichts geändert hat. Der einzige Unterschied zu vergangenen Tagen: Seit 1945 ist die Stadtverwaltung davon abgekommen, lebende Personen mit einzubeziehen. Neue Schwierigkeiten traten allerdings auf, als die ersten Vororte eingemeindet wurden. Diese hatten oftmals ein anderes Orientierungssystem, teilweise gab es gar keine Namen, da es reichte, die wenigen Häuser durchzunummerieren. Zudem gab es natürlich Doppelungen, wie etwa nach der Eingemeindung Gaisburgs 1901. Der Stuttgarter Gemeinderat hatte damals beschlossen, die Straßennamen, die jetzt in gleicher oder ähnlicher Form in beiden Orten vorkamen, beizubehalten. Protest gab‘s vor allem von der Oberpostdirektion, denn bei der Zustellung der Briefe häuften sich die Fehler. Doch erst die nationalsozialistische Regierung schaffte zahlreiche Mehrfachbenennungen ab. Eine richtige „Reform“ bei den Straßennamen Stuttgarts gab es 1957. Mit Ausnahme der Marktplätze sowie der Wilhelms- und der Marktstraßen gibt es bis heute keine Doppelbenennungen mehr.

Zwei Jahre zuvor hatte der Gemeinderat Namensgruppen für einzelnen Stadtgebiete Wohnquartiere neu bestimmt, was seitdem fortgeschrieben wird. In Münster tauchen viele Namen deutscher Flüsse auf, in Obertürkheim schwäbische Seen. Kennzeichen von Uhlbach sind etwa Tiroler Städtchen sowie Reb- und Weinsorten, Untertürkheim hat dagegen einen Schwerpunkt für Berge und Orte der Alpen. Wer Kernobst mag, der sollte nach Rohracker ziehen, wer Blumen liebt nach Sommerrain.

Ob dagegen die Burgholzhofbewohner so richtig glücklich über ihre Straßennamen sind? Das Thema war hier Völkerverständigung und brachte exotische Name wie Anwar-el-Sadat, Yitzhak-Rabin-, James- F.-Byrnes und Mahatma-Gandhi-Straße zum Vorschein. Wohl dem Burgholzhof-Bürger, der in der Auerbachstraße wohnt.

Und Bad Cannstatt? Nomen est Omen, Badeorte tauchen natürlich zwangsweise auf. Allerdings auch deutsche Großstädte sowie Orte aus dem Ostalb-und Rems-Murr-Kreis.

Bei der Benennung nach Persönlichkeiten wird seit 1986 darauf geachtet, das möglichst ein örtlicher Bezug zum Stadtquartier oder zur ehemals selbstständigen Gemeinde besteht. Seit 1993 sollen vorrangig Frauen berücksichtigt werden. Denn hierbei besteht ein krasses Missverhältnis von 11:1 zugunsten der Männer bei den insgesamt mehr als 4000 Namen für Straßen, Wege, Gassen, Stäffele, Plätze und Gewannen in der Landeshauptstadt.

Das war sicher mit ausschlaggebend für das Votum des Bezirksbeirats bei seiner letzten Sitzung. Zur Auswahl standen zwei Namenslisten. Die erste betraf verdiente Menschen rund um das Thema Mobilität, die zweite Liste nannte sieben Cannstatter Frauen, die von Helga Müller und Ortshistoriker Olaf Schulze auserkoren und als Namenspatin für würdig befunden wurden. Während Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler und die CDU sich für das Thema Mobilität erwärmen konnten, fand sich schlussendlich eine klare Mehrheit für die Frauenamen. Zumal die geplante Ausstellung im Stadtmuseum hierfür quasi eine Steilvorlage gibt. Die Sonderausstellung des Planungsstabes Stadtmuseum in Kooperation mit dem Verein Pro Alt-Cannstatt und der Stadtteilbücherei Überkinger Straße zum Thema „Geschichte(n) von Cannstatter Frauen vom Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit“ ist für Herbst geplant.

Sieben starke Frauen

Neben der bereits erwähnten Lenore Volz, stehen noch folgende Namen auf der Vorschlagsliste. Da wäre zunächst Eugenie von Soden (1858 bis 1930), die als Vorkämpferin der bürgerlichen Frauenemanzipationsbewegung gilt. Auch Bertha Thalheimer (1883 bis 1959), eine zunächst sozialdemokratische, später kommunistische Politikerin und Journalistin jüdischer Herkunft, hat es auf die Liste geschafft. Zudem wurden die deutsche Kunstfliegerin Marga von Etzdorf (1907 bis 1933), die „Ochsenwirtin“ Sophia Linckh (1770 bis 1830), Heilanstaltgründerin Henriette von Seckendorff-Gutend (1819 bis 1878) sowie Filmregisseurin und -produzentin Hanna Henning (1884 bis 1925) von Olaf Schulze und Helga Müller als würdig befunden, Namenspatin für eine der fünf neuen Straßen im Neckarpark zu werden. Entscheiden über die Vorschläge muss jedoch der Gemeinderat.