Firmenvertreter und potenzielle Azubis können sich in luftiger Höhe beschnuppern: Auch die Polizei sucht Nachwuchskräfte. Foto: Eibner/Duddek

Beim Azubi-Speed-Dating im Riesenrad „City Star“ auf dem Böblinger Flugfeld hatten am Montag Hunderte Schüler die Gelegenheit, den Unternehmen der Region Fragen zu stellen und sich zu präsentieren.

Kommt das flaue Gefühl im Magen von der Aufregung oder von der luftigen Höhe? Das dürfte sich am Montag wohl der ein oder andere Schüler gefragt haben, der zum Azubi-Speed-Dating im Riesenrad „City Star“ auf dem Flugfeld in Böblingen kam. Veranstaltet wurde das Event von der Südwest Media Network GmbH für Böblingen und Leonberg (SWMN).

Bereits vor 9 Uhr hatten mehrere Dutzend Firmen und Betriebe ihre Stände am Fuß des 70 Meter hohen mobilen Riesenrades aufgebaut. „Die Firmen sind quasi dazu gezwungen, jede Möglichkeit zu nutzen, um sich zu präsentieren“, sagt Silvia Steiner, die mit ihrem Mann das Unternehmen BVS Blechtechnik leitet. „Wir suchen verzweifelt nach Auszubildenden“, stimmt Patrice Bilec, Personalleiter bei Mewa Textil-Management, zu. Das Unternehmen hat auch eine Niederlassung in Weil im Schönbuch.

Geschenke für die Bewerber

Bis 15 Uhr sind die Firmen von ACP bis KMZ an diesem Tag im Riesenrad unterwegs – in wechselnden Besetzungen, denn trotz der drei angekündigten Pausen wird wohl niemand sechs Stunden lang Riesenrad fahren wollen. Tatsächlich gibt es schon nach der ersten Runde jemanden, der lieber aussteigen würde, weil er etwas zu trinken braucht. Auch Regen und Wind, die am Vormittag einsetzen, bringen Veranstalter und Aussteller zum Rotieren. Aufsteller kippen um und Papiere drohen zu durchnässen. Doch schnell scheint wieder die Sonne.

Die Firmen scheinen ziemlich um die potenziellen Bewerber zu buhlen. Das weiß auch Franziska Stavenhagen von der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart. „Man muss sich als Unternehmen immer was einfallen lassen, wie man noch eins oben draufsetzen kann“, sagt sie. Neben Gummibärchen und Kugelschreibern warten viele der Ausbildungsbetriebe auch mit anderen Goodies auf: quietschgrüne Badeentchen bei Reisser, die an diesem Morgen vor allem die Bienen anziehen, Stressbälle und Energy Shots bei Krannich Solar. Auch mit dem Firmenlogo bedruckte Getränkedosen finden sich auf den Ausstellungstischen. „Wir machen das in erster Leute, um die jungen Leute anzuziehen und ins Gespräch zu kommen“, sagt Florence Bauder-Auweter, die beim Automatisierungstechnikunternehmen Balluff mit Hauptsitz in Neuhausen auf den Fildern ausbildet. An ihrem Stand gibt es unter anderem Popcorn. „Das passt zum Riesenrad.“

Nur wenige haben konkrete Vorstellungen

Ins Gespräch gekommen sind an diesem Montag Hunderte von Schülern mit Vertretern der Firmen. „Im Voraus gebucht haben etwa 350 Schüler, 400 kamen dann insgesamt“, sagt Heike Poliak-Klein, die bei SWMN für Events zuständig ist. Theoretisch wären 1800 Plätze in den 40 Gondeln zu vergeben gewesen. Gleich mit einer ganzen Gruppe von Schülerinnen und Schülern ist Lehrerin Nel Isabel Rzotkiewiecz gekommen. „Die Zehntklässler haben vor Kurzem praktische Berufserfahrung gesammelt“, sagt sie. „Dadurch gehen sie jetzt mit einer ganz anderen Ernsthaftigkeit an die Sache ran.“ Sie sei dankbar, sagt sie, dass es Ausbildungsmessen außerhalb der Schulen gibt. „So müssen wir das nicht organisieren.“ In Rzotkiewieczs Gruppe ist unter anderem der 15-jährige Samy Diddou, der sich für Blechtechnik interessiert. „Ich hoffe, dass ich am Ende rausgehen kann und sagen kann, ob mich der Bereich interessiert“, sagt er. Viele seiner Mitschüler kommen eher einsilbig daher, sprechen davon, dass sie halt da seien, weil die Schule sie geschickt habe.

Doch nicht alle Besucher sind von ihren Schulen eingebucht worden. Michael Bauerheim ist mit seinem 17-jährigen Sohn aus Althengstett im Kreis Calw angereist. Sein Sohn werde sechs Runden mit dem Riesenrad drehen, sagt er. Er ist nicht der Einzige, der mehrere Runden dreht. 15 Minuten dauert eine Runde. Bis zu drei potenzielle Bewerber sintzen in der Gondel den Firmenvertretern gegenüber. Wie bei einem herkömmlichen Speed-Date geht es darum, in der kurzen Zeit so viel wie möglich über das Gegenüber zu erfahren. Einige Schüler haben zudem ihre Bewerbungsmappe dabei.

Bewerber und Firmen nicht nur aus dem Kreis

Doch nicht nur der Fachkräftemangel lässt Unternehmen wie Bewerber auch aus dem Böblinger Umland anreisen – auch das Konzept Speed-Dating im Riesenrad stößt auf Interesse. „Wir fanden das mega cool, und es ist ein innovatives Tool, um hoffentlich neue Auszubildende zu finden“, sagt Karolin Wratil vom Personalmarketing des Südwestrundfunks (SWR). Auch Sarah Piccolo von der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) hofft, dass Bewerber den Weg nach Vaihingen nicht zu weit finden. Und die Stuttgarter Bäderbetriebe wildern ebenso im Böblinger Stadtgebiet: „Die Fachangestellten, die wir in Stuttgart ausbilden, könnten ja nachher zurückkommen und in Böblingen arbeiten“, kokettiert Azubi Karl Jung bei seinem Sales Pitch.

Das Riesenrad dreht sich weiter

Bis 11. Juni
 Der Andrang ist nach wie vor groß und kann weiter bedient werden: Noch bis zum Ende der Pfingstferien, Sonntag 11. Juni, wird sich das Riesenrad auf dem Böblinger Flugfeld drehen.

Weltweit spitze
 Mit einer Höhe von 70 Metern handelt es sich um das weltweit größte mobile Riesenrad, das in Böblingen auf Gondelgäste wartet.