Nicht alle Müllautos des AWS sind Niederflurfahrzeuge wie dieses. Andere Modelle sollen nun mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet werden. Foto: Elke Hauptmann

Die Gefahr für Radfahrer und Fußgänger lauert im „toten Winkel“. Um sie zu bannen, will der städtische Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) einen Teil seiner Müllfahrzeuge mit einem Abbiegeassistenten nachrüsten.

Untertürkheim - Abfalltonne um Abfalltonne entleeren die Müllmänner in den Bauch ihres orangefarbenen Sammelfahrzeugs. Routiniert gehen die Arbeiten vonstatten, der Straßenzug ist schnell abgearbeitet. Schon fährt der Lastwagen wieder an und will an der Kreuzung nach rechts in die nächste Straße abbiegen. Plötzlich bremst der Fahrer abrupt: Den Radfahrer, der neben dem Müllwagen geradeaus unterwegs war, hat er gerade noch rechtzeitig gesehen. Nicht auszudenken, was hätte passieren können – im Bundesgebiet ist es auf diese Weise schon zu schrecklichen Unfällen mit teilweise tödlichen Folgen gekommen.

Brenzlige Situationen wie diese kommen auf Stuttgarts Straßen immer wieder vor. Schlimmeres ist in jüngerer Vergangenheit in der Landeshauptstadt nicht passiert, dennoch reagiert die Verwaltung auf die Gefahr für Radfahrer und Fußgänger, die im „toten Winkel“ lauert – also in jenen Bereichen vor, hinter und neben dem Lastwagen, die der Fahrer trotz der Spiegel nicht einsehen kann. Um die Unfallgefahr zu verringern, sollen die Müllfahrzeuge des städtischen Eigenbetriebs Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) sukzessive mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet werden. Der Gemeinderat hat im Doppelhaushalt 2020/2021 dafür Mittel in Höhe von 285 000 Euro genehmigt.

Pflicht zur Nachrüstung

Der technische Helfer soll die Fahrer beim Rechtsabbiegen akustisch vor dem drohenden Zusammenstoß mit einem Radfahrer oder Fußgänger warnen. Seit Anfang Juli müssen neu zugelassene Lastwagen mit einer Gesamtlänge von bis zu 25,25 Metern über einen solchen Assistenten samt dazugehöriger Warnleuchte verfügen, für ältere Fahrzeuge gilt eine zweijährige Übergangsfrist. Auf diese Vorschrift reagiert die AWS: Bis Ende des Jahres werden 33 neue Fahrzeuge mit dieser Zusatzausstattung in Dienst gestellt.

Das in der Abfallentsorgung überwiegend eingesetzte Fahrzeugmodell besitzt aufgrund seines Niederflurfahrgestells einen – im Vergleich mit konventionellen Nutzfahrzeugen – sehr geringen toten Winkel, da der Fahrer fast auf Augenhöhe mit Radfahrern und Fußgängern sitzt. Bei anderen Modellen aber ist die Nachrüstung vorgesehen. „Aus Sicht des AWS würden sich die in den letzten vier bis fünf Jahren beschafften Abfallsammelfahrzeuge sowie Nutzfahrzeuge mit Kofferaufbauten dafür eignen“, hatte Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau bei den Etatberatungen erläutert. „Kehrmaschinen sowie Winterdienstfahrzeuge sind aufgrund der genutzten Wechselaufbauten und gegebenenfalls vorhandener Überbreite der Anbauten technisch nicht nachrüstbar.“ Alles in allem kämen rund 70 Nutzfahrzeuge infrage. Zum Fuhrpark der AWS gehören derzeit 103 Abfallsammelfahrzeuge und weitere 96 Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwischen 2 und und 27 Tonnen.

Keine 100-prozentige Sicherheit

Doch wann die Nachrüstung in Angriff genommen wird, ist noch offen: „Die AWS arbeitet derzeit eng mit dem Arbeitskreis der Großstädte zusammen, die verschiedene Systeme auf Tauglichkeit und Einsatzfähigkeit testen. Sobald aussagekräftige Ergebnisse vorliegen, werden Fahrzeuge ausgerüstet“, teilt Jasmin Bühler, die Pressesprecherin der Stadt, mit. Jüngere Fahrzeuge sollen dabei vorrangig behandelt werden. Und für jeden Fahrzeugtyp müsse die Einbaumöglichkeit nachträglich geprüft werden. Die Kosten für die Nachrüstung eines Nutzfahrzeugs mit einem passiven Abbiegeassistent inklusive der Einbau liegen nach Schätzung des AWS bei rund 3600 Euro pro Fahrzeug. Bürgermeister Thürnau räumte jedoch ein: „Das schnelle Reaktionsvermögen des Fahrers ist bei einem nachgerüsteten System immer noch der wichtigste Faktor.“