Terry Goodkind war davon überzeugt, viel wichtigere Bücher als andere Fantasy-Autoren zu liefern. Foto: Randomhouse/Jeri Goodkind

Terry Goodkind hat über 25 Millionen Bücher verkauft, obwohl er spät zum Schreiben kam: Der Amerikaner hat mit seiner „Schwert der Wahrheit“-Reihe den Lesergeschmack getroffen. Seine heroische, neokonservative, gewaltfreudige Fantasy passte gut zum gesellschaftlichen Wandel in den USA.

Stuttgart - Fantasy-Leser sind oft Langstreckenfans. Ein schlanker Roman bietet ihnen zu wenig Versenkung, nicht genügend Quadratkilometer, Figuren und Zeiträume, um sich lesend so richtig zu verlieren. Dicke Schmöker sind ihnen lieber, und am liebsten sind ihnen, so zeigt der Blick in Verlagsprogramme, ganze Reihen dicker Wälzer. Der amerikanische Autor Terry Goodkind, der am 17. September 2020 im Alter von 72 Jahren gestorben ist, war ein Marathonmann ganz nach dem Herzen vieler Leser. Seine „Schwert der Wahrheit“-Reihe umfasst nebst Ablegern 25 Bände. Mehr als 25 Millionen Exemplare wurden weltweit verkauft.

Goodkind selbst behauptete markig, er sei mit anderen Fantasy-Autoren überhaupt nicht zu vergleichen, er hebe das Genre auf ganz neue Höhen. Er liefere keine müden Klischees und kindlichen Bilderbögen, sondern tiefsinnige Geschichten über heroische Menschen. Diese prahlerische Selbsteinschätzung stand in krassem Missverhältnis zu seinen offensichtlichen Defiziten als Autor und zu den vielen Anleihen, die er bei den Büchern von Kollegen machte.

Ein großer Bluff

Der 1948 in Omaha, Nebraska, Geborene kam relativ spät zum Schreiben. Der Schulabbrecher, der unter anderem Landschaftsbilder fürs Touristengeschäft in Maine malte, fand erst mit 45 seine eigentliche Berufung. 1994 erschien sein erster Roman, „Wizard’s First Rule“, deutsch „Das erste Gesetz der Magie“.

Was er da entwarf an Königreichen, Magiesystemen, Gefahren und Konflikten, war weder originell noch besonders gut ausgefeilt, aber gerade das scheint seine Leser angesprochen zu haben. Fantasywelten können enorm komplex werden. Goodkind lieferte die Simulation einer komplexen Welt. Sie war groß und vollgestopft mit allem Möglichen, aber auch ein Bluff. Letztlich passierte immer das, was Goodkind gerade brauchte, auch wenn so Widersprüche zu vorher Erzähltem entstanden. Manche Leser stören sich an so etwas enorm, andere empfinden das als Freiheit der Fiktion – zumindest als Freiheit der pulp fiction.

Vorbild Ayn Rand

Das heißt aber nicht, dass Goodkind ein fröhlicher Autor bunter Abenteuer gewesen wäre. Seine Welt ist düster, grausam und ungerecht. So wie sich bei ihm Sex und Gewalt zur sadomasochistischen Lusterfahrung mischen, werden Brutalität, Rechtsunsicherheit und Willkür zu einem darwinistischen Weltmodell: Recht hat der, der sich durchsetzen kann.

Das ist keine Unterströmung in Goodkinds Werk. Oft genug hielt er die Handlung an, damit Figuren über die Welt und das richtige Handeln räsonieren konnten. Goodkind war ein bekennender Anhänger der Autorin Ayn Rand, deren pseudophilosophische Fantastik das neokonservative und neoliberale Denken in den USA stark beeinflusst hat.

Rands „Atlas Shrugged“ ist für künftige Heuschrecken, Investmentbanker, Sozialstaatvernichter und Armenverachter das, was Tolkiens „Herr der Ringe“ für Hippies und Ökos war. Objektivismus taufte Rand selbst ihr Denken, das auf Empathie verzichtete und den erweiterten Selbsterhaltungstrieb als Strukturprinzip der Gesellschaft akzeptiert. Schwache müssen den Zustand der Welt als Ansporn sehen, weniger schwach zu sein. Wer nicht kräftig genug wird, hat eben Pech gehabt, aber kein Recht, von den anderen mehr zu verlangen als den Verzicht auf direkte Aggression.

Gegen die Gleichmacher

Terry Goodkind hat Rands Denken in seiner Fantasy trendgerecht umgesetzt. Denn natürlich ist an der Oberfläche doch ständig die Rede von Recht und Unrecht, vom Richtigen und Falschen, vom Guten und Bösen. Suggeriert wird, dass die absolute Freiheit für die Tatkräftigen dazu führen wird, dass sie für alle das Richtige tun. Derjenige, der nicht von Einschränkungen gehindert wird, hat es ja nicht nötig, zu den Wehrlosen fies zu sein, er kann sich Höherem widmen.

Und so erzählt Goodkind denn vom einfachen Manne Richard Cypher, der sich als ein Erwählter entpuppt, als furchtloser Schwinger des sogenannten „Schwerts der Wahrheit“ – und als mächtigster Magier seit Jahrtausenden. Die Bücher begleiteten die wachsende Entsolidarisierung in modernen Gesellschaften, speziell in den USA mit dem Kampf des Eliteheroen Richard gegen ein dunkles System, das Menschen gleich machen will – gleich mittelmäßig.

Forsche Antworten

In einer Online-Fragestunde mit Lesern hat Goodkind einmal forsch bekannt: „Heutzutage gibt es kaum noch Lesenswertes, weil mehr und mehr Bücher sich um Charaktere drehen, die entweder gewöhnlich, erbärmlich oder verwerflich sind. Ich mag keine Autoren, die sich entscheiden, über diese Art Menschen Geschichten zu erzählen.“

In derselben Fragestunde machte Goodkind auch klar, warum er seine Welt nicht wie viele andere Autoren mit verschiedenen Völkern und Rassen – also Zwergen, Riesen, Elfen und so weiter – besiedelt habe. Solche „durchgeknallte kulturelle Diversität“ sei nicht sein Ding, er schreibe „über herausragende Menschen“. Und damit, hat er immer wieder behauptet, habe er das Gesicht der Fantasy verändert. Manchmal klang er tatsächlich so realitätsvergessen selbstbewusst wie Donald Trump.