Die Angst vor Krieg lässt das Bedürfnis nach Schutz wachsen – auch im Privaten. Die Firma Nau aus Dettenhausen entwickelte einst einen Bunker fürs eigene Grundstück. Der Verein Schutzbauten Stuttgart in Feuerbach zeigt einen Nachbau des Panic Rooms.
Bei der „Bauschau Bonn“ wurde 1969 allerlei Zubehör für den zivilen Bevölkerungsschutz gezeigt. Neben dem obligatorischen Geigerzähler war auch eine Reihe von Schutzräumen für den privaten Gebrauch im Falle einer atomaren Katastrophe zu sehen. Damals, in der Zeit des Kalten Krieges, lieferten sich UdSSR und USA ein atomares Wettrüsten. Die Furcht, dass das „Gleichgewicht des Schreckens“ aus der Balance geraten könnte, war auch hierzulande spürbar.
Aktuell wackelt die transatlantische Sicherheitsarchitektur ganz gewaltig. Die Beziehungen zwischen den USA und West-Europa haben sich unter der Trump-Regierung rapide verschlechtert. Und man muss kein Untergangsapologet sein, um sich angesichts des seit drei Jahren tobenden Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und der bröckelnden atlantischen Allianz große Sorgen zu machen. Jedenfalls wird wieder verstärkt über das Thema Zivilschutz, Sicherheit und Abschreckung in Deutschland nachgedacht. Aktuell fordert das Deutsche Rote Kreuz deshalb mindestens 20 Milliarden Euro des geplanten Sondervermögens für den Bevölkerungsschutz einzuplanen.
Aus Kriegsangst entstehen neue Geschäftsideen
Wo Kriegsangst wächst, da blühen auch neue Geschäftsideen. In den 1960er Jahren entwickelten Firmen wie Thyssen oder der frühere Heizöltank-Hersteller Stefan Nau aus Dettenhausen bei Tübingen kleinere Schutzräume in verschiedenen Größen und Formen – quasi für den eigenen Garten. „Der Röhrenbunker von Nau war damals der Mercedes unter den Privatbunkern“, zieht Rolf Zielfleisch vom Verein Schutzbauten Stuttgart den Vergleich zur schwäbischen Nobel-Automarke.
Der rund zwölf Meter lange und circa 2,5 Meter breite Schutzraum wurde vor einigen Jahren im Tiefbunker Feuerbach im Originalmaßstab aus Holz nachgebaut: „Der Original-Bunker der Firma Nau hatte eine Hülle aus Stahl. Über einen Generator konnte der Strom auf zwölf Volt runtertransformiert werden.“
Und was ist drin? Außer drei Liegekojen, einer Kochnische, Eckbank, einem Schaltkasten sowie Trinkwasser-Tanks, Geigerzähler und einer Lüftungsanlage gehörte zur Grundausstattung auch ein Periskop. Mit Hilfe dieses Beobachtungsfernrohres konnte die Bunker-Besatzung aus dem Untergrund das aktuelle Geschehen über Tage im Rundblick verfolgen – praktisch wie in einem U-Boot. Der Eingang in den Röhrenbunker erfolgte über eine Schleusentür und war über einen Gang mit dem Hauskeller verbunden. Gleichzeitig gab es über ein Rohr und eine Leiter einen Notausstieg an die Erdoberfläche.
Schutzraum gegen Terrorangriffe
Als auf den Todes- und Entführungslisten der „Rote Armee Fraktion“ (RAF) deutsche Großindustrielle, Politiker, Bankiers oder auch andere Terrorismus-Gefährdete auftauchten, entschieden sich manche der Betroffenen, sich selbst einen Bunker anzuschaffen: „Das Nau-Modell wurde in den 1970er und 80er Jahren auch als Panic Room verkauft, für reiche Unternehmer und andere Persönlichkeiten, die Angst hatten, in die Hände der Terroristen zu fallen“, berichtet Zielfleisch. Bei der „Bauschau“ in Bonn wurde der Schutzraum aus dem Schönbuch anno 1969 präsentiert. Als Alternative gab es einen Kugelbunker – ebenfalls aus schwäbischer Konstruktion. Der Stuttgarter Architekt Sylvester Laible hat ihn entworfen. „Er machte bereits 1944 erste Versuche. In den 1950er Jahren entwickelte Laible sein Modell weiter“, sagt Zielfleisch. Fotos von der stählernen Kugel sind auch im Feuerbacher Bunker-Museum des Vereins Schutzbauten in Feuerbach zu sehen. Sylvester Laibles Grab befindet sich übrigens auf dem Hauptfriedhof in Steinhaldenfeld: „Und sein Grab ziert eine Kugel“, erwähnt Zielfleisch am Rande.
Erlebt der Panic Room eine Renaissance? Auch wenn Zielfleisch die Wirksamkeit einer solchen Zivilschutzmaßnahme eher bezweifelt, muss er dennoch konstatieren, dass sich in letzter Zeit immer mal wieder Menschen beim Verein Schutzbauten erkundigen, ob sie im Krisenfall „in unserem Tiefbunker in Feuerbach Plätze belegen oder reservieren können“. Eine Frau aus Nordrhein-Westfalen rief an und beklagte am Telefon, dass es in ihrer Umgebung keine Schutzräume gebe. Sie sei in Tränen ausgebrochen, als er ihr absagen musste, berichtet Zielfleisch. „Das hat mich schon sehr berührt. Auch aus dem Wohngebiet Fasanenhof meldete sich eine Frau und wollte wissen, wo denn in ihrer direkten Nähe ein Schutzraum ist.“
Zur Bombenentschärfung in den eigenen Bunker
Laut Zielfleisch gibt es auch in Feuerbach zumindest einen Privatbunker. Als 2010 eine amerikanische 500-Kilo-Bombe und ein 250-Kilo-Sprengsatz der Royal Air Force aus dem Zweiten Weltkrieg in der Nähe des Wohngebietes Hattenbühl und der dortigen Grundschule im Wald entdeckt und entschärft wurde, musste das Wohngebiet komplett evakuiert werden. Damals habe sich ein Hausbesitzer geweigert, der Aufforderung nachzukommen, hat Zielfleisch erfahren. Er entschied sich, die Angelegenheit auszusitzen – und zwar im hauseigenen Bunker aus den 1970er Jahren.
Ziviler Luftschutz
Tätigkeit
Der Verein Schutzbauten widmet sich der Geschichte des zivilen Luftschutzes im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg. Zu den Schutzbauten zählen Bunker, ausgebaute Stollen sowie auch sogenannte Pionierstollen und Luftschutzkeller, die der Verein über die Jahre dokumentiert hat.
Führungen
Je nach Interesse führt der Verein durch verschiedene Bunkermuseen. Bei Bauwerken wie dem „Spitzbunker“ oder dem Tiefbunker in Feuerbach sind die Führungen mit Ausstellungen verbunden. Im „Stollen“ gibt es auch Einblicke in die Stuttgarter Flak und Tarnung. Weitere Informationen unter www.schutzbauten-stuttgart.de.