Ups, da hat sich Spiderman wohl im Netz verstrickt – Skulptur der Künstlerin Patricia Waller. Foto: VG Bild-Kunst/NRW-Forum

Superhelden bevölkern Comics, Filme und Kinderzimmer. Aber warum faszinieren diese omnipotenten Muskelpakete eigentlich so?

So schnell kann man in die nächste Liga aufsteigen. Als Donald Trump im Juli ein Attentat überlebte, erhielt die Verehrung seiner Fans eine ganz neue Qualität. Seinen Anhängern galt er schon immer als Held, jetzt aber feierten sie ihn als Erlöser und sah mancher in ihm nun auch einen unverwundbarer Kämpfer, der gegen das Böse in dieser Welt antritt. Gott habe ihm „die volle Rüstung“ mitgegeben, erklärte eine Amerikanerin dem deutschen Fernsehen, deshalb könne er nicht verletzt werden.

Nach dem erneuten versuchten Attentat vor ein paar Tagen hat Trump für manchen endgültig den Status eines Superhelden erreicht, selbst wenn er im Detail nicht alle Kriterien hierzu erfüllen mag. Denn sie zeichnen sich gemeinhin durch körperliche Überlegenheit und eine Stärke aus, die über das menschliche Maß hinausgeht. Das kann schiere Muskelkraft sein, muss es aber eben nicht – Hauptsache, Gott oder andere Mächte haben einen auserwählt.

Es wäre zu schön, wenn Superhelden die Welt retten würden

Superhelden sind beliebt. In einer Ausstellung im NRW-Forum in Düsseldorf kann man ihnen nun allen begegnen und staunt, wie gigantisch der Kosmos rund um Hulk, Superman und Spider-Man ist, um Wonder Woman und Batman. Ob in Comics oder Filmen, als Computerspiele oder Kunststofffiguren im Kinderzimmer – die Sehnsucht nach Superhelden scheint enorm zu sein. Und so Furcht einflößend diese muskelbepackten Kerls auch ausschauen mit ihren schaurigen Masken und schweren Munitionsgürteln, muss man sich doch nicht vor ihnen fürchten. Denn der Superheld steht moralisch immer auf der richtigen Seite, also da, wo sich der Mensch gern selbst wähnt.

Es ist eine schöne Vorstellung, dass ein Held siegesgewiss das Böse auslöschen könnte. Seitdem in den 1930er Jahren in den USA die ersten Superhelden an den Start gingen, wurden immer neue Geschichten erfunden, in denen Naturkatastrophen, Diktatoren oder Dämonen, Ungeheuer oder Außerirdische die Menschheit bedrohen. Wären da nicht die Retter, die Wände hinaufklettern oder fliegen können, Energien absorbieren oder die Gedanken ihres Gegenübers lesen, sähe es düster aus.

Gut und Böse sind keine belastbaren Kategorien

Ironie des Schicksals: Damit die Superhelden ihre Stärke ausspielen und unsereinen in Spannung versetzen können, muss das Böse möglichst schlicht und eindimensional skizziert und bewusst verschwiegen werden, dass die Welt eigentlich komplizierter ist. Wie die alten Märchen wollen auch die Superheldengeschichten uns glauben machen, dass Stärke, Gewalt und Übermacht probate Mittel seien, um die Gesellschaft zu befrieden. Und sie berücksichtigen auch nicht, dass gut und böse keine belastbaren Kategorien sind, schließlich halten sich auch Diktatoren oder Kriegstreiber für die Guten.

Zwei Identitäten nähren die Fantasie

Die vielen Fans, die nun in die Düsseldorfer Ausstellung strömen, schert das freilich nicht. Sie bewundern den Nachbau des Batmobils, das windschnittige Vehikel Batmans, der über keine Superkräfte verfügt und deshalb auf potente Technik angewiesen ist. Werkzeuge wie Thors Hammer, Capes, Masken und Accessoires zeigen, welche große Rolle die Ästhetik in diesem Genre spielt.

Einer der wenigen Deutschen, die am Superheldenkosmos mitstricken, ist Nic Klein. Der Düsseldorfer studierte in Kanada Kunst und Illustration und ist heute einer der bekanntesten Deutschen bei dem New Yorker Comic-Verlag Marvel, wo er seit 2007 Vorlagen liefert für Hulk, Thor, Captain America oder Punisher.

In einer Vitrine in der Ausstellung kann man die wichtigsten Requisiten für einen solchen Beruf sehen: Neben Stiften und einem Farbkasten nutzt Nic Klein kleine Anatomie-Figuren, die ihm präzise den Verlauf der Muskelstränge zeigen.

Denn Muskelpakete zeichnen Superhelden aus – ob im 16. Jahrhundert auf den Kupferstichen, wo die Künstler mit Schraffuren jede Wölbung der Schenkel und Oberarme plastisch darzustellen versuchten. Oder bei Hulk, diesem hünenhaften Kraftprotz, dessen unverschämt breites Kreuz vermutlich schon manchen Mann an die Kraftmaschinen in der Muckibude getrieben hat.

Könnten wir nicht alle Superhelden sein?

Hulk hat, wie viele Superhelden, zwei Identitäten. Als Nuklearphysiker wurde er Gammastrahlen ausgesetzt, weshalb er sich immer wieder in das Monster Hulk verwandelt. Hinter Spider-Man verbirgt sich der Fotograf Peter Parker, der als Junge durch den Biss einer radioaktiven Spinne seine Superkräfte bekam. Batman ist ein Milliardär, der im Fledermauskostüm den Kampf gegen seinen Erzfeind, den Joker, aufnimmt.

Superhelden im Verbund Foto: NRW Forum Düsseldorf/Andreas Endermann

Solche zwei Identitäten können die Fantasie nähren, dass im Grunde jeder zum Superhelden werden könnte. Sie geben den Storys aber auch die Würze, denn an sich ist der Superheld eine eher uninteressante Figur. Sexualität und Liebe sind dem Heldentum abträglich. Die Philosophin Lisz Hirn sieht den Superhelden sogar als eine Figur, die perfekt als Untertan tauge, weil er bestehende Systeme nicht hinterfragt, sondern blind verteidigt.

Trachtman geht mit Knödelkanone auf Verbrecherjagd

Es sind schon viele kluge, freche und witzige Geister angetreten, um den Heldenkult ad absurdum zu führen. Die Künstlerin Patricia Waller etwa holt die Superstars in ihren Skulpturen auf den Boden der Tatsachen. In der Ausstellung scheint Superman gegen die Wand gekracht zu sein und steckt nun im Loch fest. Spider-Man ist es nicht viel besser ergangen, er hat sich hoffnungslos im eigenen Netz verfangen.

Der Comic „Captain Berlin“ basiert auf einem Kurzfilm von 1982, in dem Jörg Buttgereit den Heldenmythos in bewusst dilettantischer Verfilmung mit wackelnder Kamera lächerlich machte. Trachtman geht dagegen mit Lederhosen, Backenbart und Knödelkanone auf Verbrecherjagd nach dem Motto „A Maß voi Helden!“.

Längst hat sich auch Diversität bei den Superhelden breitgemacht, die nun auch weiblich, dunkelhäutig oder homosexuell sein können – ob es Captain Pride ist oder die Femtastic Five sind. Seit 2022 ist auch die erste muslimische Superheldin im Marvel-Universum unterwegs.

Mit Superhelden lassen sich die Massen manipulieren

Superhelden scheinen immer Konjunktur zu haben. Letztlich ist es bequemer, von schnellen Lösungen zu träumen, als die Probleme mit Vernunft anzugehen. Am Ende wollen die Superhelden die Menschen manipulieren. Das war schon bei dem 1938 erfundenen Superman so, der später als Propagandafigur benutzt wurde, um die US-Amerikaner zur Teilnahme am Zweiten Weltkrieg zu bewegen.

Erst Jahre danach hat er einen internationalen Siegeszug angetreten. Comics fungierten aber nicht nur während des Zweiten Weltkriegs als Medium für Politik und Propaganda, weshalb Captain America 1941 etwa im patriotischen Sternenbanner-Kostüm Adolf Hitler einen Kinnhaken verpasste. Auch die südafrikanische Apartheid-Regierung gab Millionen aus, um mit dem Comic-Helden Mighty Man einen schwarzen Superman zu etablieren.

Heute ist es eher die Konsumindustrie, die das Publikum mit ihren Geschichten verführen will. Denn selbst wenn es keine Superhelden gibt, so kann man doch mit ihnen bestens Kasse machen – nicht nur mit Comics, Filmen und Computerspielen. Deshalb endet die Düsseldorfer Ausstellung mit einer Sammlung an Fanartikeln: mit Batman-Badeente und Avenger-Eau de Toilette, Hulk-Rollschuhen und sogar einem Waffeleisen, das die Gesichter der Superhelden in die Waffel einbrennt.

Ausstellung
Das Düsseldorfer NRW-Forum widmet sich den Superhelden- und Heldinnen mit der Ausstellung „Superheroes“ noch bis zum 11. Mai 2025.